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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ob es nun darum ging, wen er vögelte oder wann und welche Schnellstraße sie nehmen oder wo sie die Nacht verbringen oder sogar was sie zusammen essen sollten. Es war ihm schnurz, daß sie gerade durch ein Kaff wie Buttwash, Texas, fuhren und von einem Dexamil-Trip runterkamen und daß sie von nichts anderem als Rührei träumte, bis es ihr zur Obsession, ja zur Halluzination wurde, er wollte Tacos und Salsa und Chilis und ein Tecate-Bier dazu, und genau das bekamen sie dann.
    »Jetzt mach schon, sei kein Spielverderber, Paulette. Du weißt doch, was die Kerista-Gesellschaft sagt, hast es doch schwarz auf weiß im Speeler gelesen, na? Oder etwa nicht?«
    Natürlich wußte sie es. Weil er die Stelle jedesmal zitierte, wenn er geil war. Wer immer diese Typen waren, die Keristaner oder Keristanten oder wie die sich auch nannten, sie predigten freie Liebe ohne Einschränkung – das heißt, es mit jedem zu treiben, der einen fragte, egal, welche Rasse, Religion oder Hautfarbe er hatte oder ob er nun fett und alt oder zurückgeblieben war oder so roch wie das Futter eines alten Schuhs. Es galt als feindseliger Akt, zu jemandem nein zu sagen, ganz egal, ob man sich danach fühlte oder nicht – es ist sieben Uhr früh, du hast einen Kater und deine Haare sehen aus, als wären sie auf die Schädeldecke geklebt, und irgendein Typ kommt rein und will bumsen? Dann bumst du ihn eben. Entweder das, oder du kommst total uncool rüber, weil du von kleinbürgerlichen Komplexen befallen bist, genau wie deine verklemmten Eltern und der Rest der Spießerwelt. Soviel hatte die Kerista-Gesellschaft dazu zu sagen, aber für Star, so wurde ihr allmählich und auf höchst rudimentäre Weise klar, war freieLiebe nichts als die Erfindung von irgendeinem Freak mit Pickeln und widerlich fettigen Haaren, der vielleicht auch noch schielte und sonst, nach anderen Regeln, einfach nie jemanden zum Vögeln finden würde, und das war nicht ihr Ding, nicht heute nacht, nicht mit Ronnie und Wie-hieß-sie-noch-gleich?
    »Nein, Ronnie«, sagte sie, nahm seinen Arm von ihren Schultern und ließ ihn fallen wie die tonnenschwere Last, die er war, » nein! « Sie war jetzt auf den Beinen, sah auf ihn hinab, auf den kleinen hellen Fleck seines Gesichts und auf die Frau, die zu ihr emporstarrte und deren Lächeln erstarb wie bei einem Stromausfall. »Die Kerista-Gesellschaft interessiert mich einen Dreck. Ich geh jetzt ins Bett. Und nenn mich nicht so.«
    Er war gekränkt, vernichtet und klammerte sich an die neue Frau – Merry, so hieß sie, Merry –, als wäre sie ein Koffer auf hoher See und sein Schiff soeben gesunken. »Wie?«
    Brüste klatschten, der kleine Schwanz schlenkerte, die Leute schlugen sich Tamburine gegen die Handflächen, und der Qualm von Gras und Räucherstäbchen waberte über den Boden. »Nenn mich nicht Paulette«, sagte sie, und dann war sie weg, ihre bloßen Füße suchten sich einen Weg durch die wogenden Hüften und nackten Gliedmaßen ihrer Brüder und Schwestern.
    Es war ein anderer Morgen. Dieser kam mit einem Glühen über die Baumwipfel, das ganz natürlich war, weil sie seit drei Tagen nicht mehr high gewesen war, denn Ronnie war schwer beschäftigt mit Merry und der Frau mit den großen Brüsten, die siebenundzwanzig war und als Sekretärin bei irgendeiner Spedition arbeitete. Sie hieß Lydia, und sie fand auf Drop City eine oder auch mehrere gastliche Matratzen, woraufhin sie gleich beschloß, zu bleiben und auf ihren Job, die Plastikwelt, ihre riesigen, ins Fleisch schneidenden BHs, die Haarnadeln, das Make-up und den Rest zu scheißen. Star war das gleichgültig. Es war ja nicht so, daß sie in Ronnie verliebt war oder so. Er kam nur eben aus demselben Ort wie sie, und sie waren so lange gemeinsam unterwegs gewesen, durch das weite flache Becken von Iowa, das gelbe Nebraska, durch New Mexico in seinem Mantel aus bröckligem Braun und das ziegelrote Arizona, und dabei hatten sie zu den Stones mitgesungen: Under My Thumb, Goin’ Home, home, home, home . Das war schon was. Sicher doch. Aber während sie den Melkeimer unter die erste Ziege bugsierte, wurde ihr bewußt, daß sie zum erstenmal, seit sie sich überhaupt erinnern konnte, ein richtig gutes Feeling hatte, sauber und rein und gut, kein Streß, kein Nerv.
    Der Augenblick war elektrisierend, und sie spürte ihn durch die nackten Fußsohlen hindurch, durch jede Pore ihres Körpers: so hatte sie sich das Leben vorgestellt, als sie von zu Hause wegging, ein Leben in

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