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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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mußte. Aus dem Staub machen – woher kam dieser Ausdruck eigentlich? Aus irgendeinem Cowboyfilm? Pan erinnerte sich an Hopalong Cassidy aus einer dieser Serien, in der ein großes weißes Pferd über die Salbeibüsche setzte, in einem rundlichen Schwarzweißfernseher in der Größe eines Goldfischglases, und sein Vater brüllte aus der Küche herüber, weil irgendein Unmensch – so sagte er das, ein Unmensch – alle Eiswürfel verbraucht hatte, ohne Wasser in den Behälter zu füllen. Norm stand einfach da. Er schob sich den Rest des Brötchens in den Mund und kaute mechanisch, und als Ronnie ihm einen zweiten Hot dog reichte, nahm er ihn wortlos entgegen.
    Es war ein großer Augenblick, und Ronnie genoß ihn. Aber dann kam Reba und zog eine Zweihundert-Kilo-Flappe wie ein ausgebluteter Zombie, ihr Beschwerdeton war schon aus großer Entfernung zu hören, und damit war der Augenblick vorbei. »Norm«, rief sie, »weißt du schon? Die Bullen. Die waren hier. Sie suchen dich.«
    Norm wußte das durchaus. Er hatte sich drei Stunden lang im LSD-Koma in den Wäldern versteckt, Blutkrusten im Gesicht, kaputte Brille auf der Nase, oder etwa nicht? Was dachte sie denn – daß er sich aus reinem Vergnügen versteckte? Sie beobachteten sie, alle drei, während sie sich auf das knisternde, knackende Feuer zubewegte. »Hast du das von Che gehört?« rief sie aus fünf Meter Entfernung.
    Norm knurrte irgendeine Antwort, eine vage Bejahung, und dann stand sie vor ihnen, wiegte sich auf den Fußballen, ihre Mädchenzöpfe trieselten sich in den rosa Haargummis auf. »Er wird schon wieder, alles cool, aber ich kann dir sagen, wir sind ganz schön ausgerastet ... Ich meine, eine Zeitlang hat er überhaupt nicht mehr geatmet.« Rebas Blicke waren wie Enterhaken, sie packten zu, rissen und zerrten und zogen. »Aber das mit Charley Horse«, fuhr sie fort, »ich hab’s von Marco gehört, echt Scheiße ist das.«
    Lydia sagte: »Ja, echt Scheiße« und nickte dazu.
    Norm sah auf seine Füße. »Wißt ihr, was man mit ’nem toten Pferd macht?«
    »Absteigen?« schlug Ronnie vor.
    »Nein, auslassen. Das Fett wird für Hundefutter und Leim und so Zeug verwendet. Ich hab das Vieh ohnehin nie gemocht. Es war einfach so ein großes, blödes vierbeiniges Scheißding, das meine Exfrau unbedingt haben mußte. Du hast doch ’ne Ranch, oder? Na, da brauchst du auch ’n Pferd. Brillante Logik, was?«
    Reba stand vor ihm, grimmig und kampflustig, mit Plattfüßen und sich auflösenden Zöpfen, rasend schnell unterwegs zur alten Frau. Ronnie sah die beiden senkrechten Furchen, die sich tief in die Haut zwischen ihren Augenbrauen gruben, die geschweiften Klammerkaskaden an ihren Mundwinkeln: zu früh geheiratet, zu schnell angebumst, das war ihre Geschichte. Und was wollte sie jetzt? Antworten. Sie verlangte Antworten. »Also, was werden wir unternehmen, Norm? Du weißt genau, die kommen wieder, diesmal mit Durchsuchungsbefehl. Du weißt, daß die uns hier die Bude zusperren wollen. Und was dann? Wo sollen wir hin? Ich meine, Alfredo und ich, wir haben gut an die zwei Jahre unseres Daseins für diese Ranch geopfert – ich meine, das ist doch irre. Hier wollten wir den Rest unseres Lebens verbringen – und Che und Sunshine genauso.« Sie sah beiseite, als hielte sie seinen Anblick nicht aus, seine eingefallenen Schultern, das blutige Gesicht und die mit Klebeband reparierte Brille, dann hob sie den Kopf und legte gleich wieder richtig los: »Also, was soll geschehen, Norm? Wie sollen wir jetzt weitermachen?«
    Pan schob den nächsten Hot dog auf seinen Weidenzweig und hielt ihn in die Flammen. Die Bude zusperren? Für ihn wurde es ja gerade erst gemütlich. Klar, ein paar von den Brüdern und Schwestern hier gingen ihm fürchterlich auf den Sack, aber alle kannten ihn, und zum erstenmal im Leben hatte er einen Lebenszweck, ob die übrigen das nun zugeben wollten oder nicht – er war der Ernährer in dem Laden hier, oder einer von ihnen. Einer der wichtigsten. Er hatte das Reh angeschleppt, oder? Und Wachteln – er hatte auch Wachteln geschossen. Und Fische – er angelte ja die ganze Zeit, worüber nicht mal die Vegetarier meckern konnten. Das Essen war umsonst, und das war doch der Sinn dieses ganzen Zurück-zur-Natur, oder nicht?
    Rebas Worte hingen in der Luft, anklagend, fordernd, tragisch und voller Selbstmitleid: Wie sollen wir jetzt weitermachen?
    Norm starrte nicht mehr auf seine Füße. Er zog die Schultern nach hinten, als wäre er

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