Grün war die Hoffnung
gesund ist. Auch wenn ich total dafür bin. Aber das hier« – sie legte eine Sardine auf eine dünne Scheibe Weißbrot und leckte sich das Öl von den Fingern –, »das ist kein Luxus, das ist eine Notwendigkeit , alles klar?«
Entwendete Salzcracker gingen herum, dazu etwas Brot und eine Spätlese, die Reba in der Alk-Abteilung eingesackt hatte. Es war ihnen allen klar. Und Star aß ihre Käsestückchen, dazu geräucherte Austern, dafür hatte sie eine Schwäche, und genoß den Augenblick. In der Innentasche ihres Rucksacks, in einer Falte zwischen dem Rahmen und dem großen Packteil, hatte sie drei Einhundertdollarscheine, von denen niemand etwas wußte, auch nicht Marco, Ronnie, Merry oder Maya. Das war der Rest ihrer Ersparnisse, das Geld, das sie gehortet hatte, bevor sie ihren Lehrerinnenjob an den Nagel hängte, als sie noch im Haus der Eltern gewohnt hatte und ihre Ausgaben einzig und allein für Schallplatten draufgegangen waren. Höchstens noch Klamotten und mal einen Brandy Alexander oder einen Black Russian im Surf ’n’ Turf, was in Peterskill einem echten Tanzclub noch am nächsten kam; der Rest ihres Geldes war für Benzin und Essen bei der Fahrt quer durch die USA gewesen, und seit damals war alles – Essensmarken, Arbeitslosengeld und die Schecks, die ihre Mutter c/o Drop City geschickt hatte – im Gemeinschaftstopf verschwunden. Diese drei Scheine würde sie auf keinen Fall angreifen, weder für Luxus noch für Notwendiges, außerdem hatte Norm versprochen, sie allesamt finanziell durch den ersten Winter zu bringen, zumindest soweit es die Grundbedürfnisse anging.
Lydia, die sich gegenüber von Star auf der Sitzbank fläzte, sagte »Geflügelleber«, als hätte sie daran schon wochenlang gedacht. »Darauf steh ich total. Und dann diese Selleriestangen mit Schimmelkäse-Dip. Schwedische Fleischklößchen auf Zahnstochern. Kanapees und Champagner. Wo ich früher gearbeitet habe, da haben die immer solche Partys gefeiert, und da hab ich mich meistens an der Vorspeisenplatte verschanzt und total reingehauen.«
»Und wie wär’s damit?« fragte Reba und lehnte sich im Flackern der entgegenkommenden Scheinwerfer vor, um Lydia zwei Dosen mit Räucherschinken zu reichen.
»Hummer«, sagte Merry. »Mit zerlaufener Butter.«
»Aber du hast nicht wirklich gelebt, solange du nicht das Crab Louis bei ›Metzger’s‹ an der Tomales Bay gekostet hast«, meldete sich Maya zu Wort. »Da bin ich einmal gewesen, das war kurz nach der Highschool, und zwar mit ...«
»Ich weiß schon«, sagte Reba, »mit diesem Typ namens Jack. Haare bis zum Arsch und Fu-Manchu-Schnurrbärtchen, nicht?«
Star lachte. Sie mußten alle lachen.
Maya sprach etwas leiser. »Eigentlich war ich mit meinen Eltern dort. Sie haben mich und meinen Bruder damals auf einen Urlaub an die Westküste eingeladen. War ihr Geschenk zu meinem Schulabschluß.«
Darauf hatte niemand etwas zu sagen, und sie schwiegen, während der Bus auf dem Weg zur kanadischen Grenze eine Reihe von weitgeschwungenen Kurven nahm. Der Motor brachte sie mit seinem steten Brausen voran, als säße vorn unter der Haube ein riesiger Staubsauger. Der Wind rüttelte an den Scheiben, leiser Nieselregen fiel. Sie hörten Norms Stimme vom Fahrersitz, ein pausenloses Gebrabbel aus Ideen, Meinungen und unwiderlegbaren Tatsachen, angefeuert von Ronnies Speed ebenso wie von Premstars milchzarter Haut, und konnte eigentlich irgendwer Premstar leiden oder auch nur ausstehen? Nein, niemand. In diesem Punkt waren sich alle stillschweigend einig.
»Krabbencocktail«, sagte Reba und schob sich noch eine Sardine in den Mund, dann kaute sie rund um die Wörter herum, »ein guter Krabbencocktail, mit großen Krabben drin, richtig groß, so lang wie ein Mittelfinger, und einer würzigen Cocktailsauce, auf Eis serviert, das würde ich in jedem Zustand bestellen.«
Star sagte: »Oder Pistazien. In der Schale. Wo man ganz rote Finger bekommt. Hat irgend jemand auf der Welt davon je genug gekriegt?«
»Wißt ihr«, begann Merry, und sie sprach so tonlos und gedämpft, daß man sie kaum verstehen konnte, »ich hab meine Eltern nicht mehr gesehen, seit ich sechzehn war. Das sind so an die fünf Jahre. Dabei hasse ich sie nicht mal oder so was. Es hat sich einfach so ergeben.«
»Wo kommst du noch mal her?« wollte Reba wissen.
Leise, als wäre es ein Gebet: »Cedar Rapids.«
»Cedar Rapids? Wo ist denn das?«
»Das liegt in Iowa«, antwortete Lydia für sie.
»Oh, Iowa «,
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