Grün war die Hoffnung
sagte Reba und ließ es so uncool und lahm klingen wie Peoria oder New Jersey, und Star spürte, wie die gute Laune davonglitt.
»Da war dieser Typ«, fing Merry erneut an, und ihr Gesicht wurde jäh von einem Scheinwerferpaar erhellt, ehe es wieder im Zwielicht versank, »dieser Freak, der war dreiundzwanzig und hatte sein eigenes Auto und Kohle, wie ich das noch nie gesehen hatte, richtige Rollen mit Zwanzigern und so in der Tasche. Aber das war nicht der Auslöser – so war ich nicht. Und ich bin auch jetzt nicht so. Geld hat mir nichts bedeutet, nur daß es einem Freiheit erkaufen konnte – und dann meine Eltern, meine Güte , und diese Schule. Ihr kennt ja die Geschichte. So was kennen wir alle, oder?«
Niemand ging ihr an die Angel. Star rutschte auf der Bank herum. Sie hörte, wie Lydia die Hand tief in die Crackerschachtel steckte.
»Er hieß Tommy Derwin und kam aus dem Süden, aus Mobile, und sein Dialekt war einfach umwerfend. Wenn er Sachen sagte wie ›Schätze, ich würde mich absolut geehrt fühlen, wenn Sie einverstanden wären, heute abend mit mir auszugehen, Miss Merra Voight‹, und dann fuhr er mit mir in eine Bar nach Iowa City, wo einen nie irgendwer nach dem Ausweis fragte, und dann in ein Motel, als Mann und Frau, auf dem Rückweg nach Cedar Rapids. Ich hab nicht lange nachgedacht. Als er sagte, gehen wir nach San Francisco, da läuft richtig was ab, bin ich sofort mit.«
Lydia verteilte Cracker, die sie mit Schinkenaufstrich belegt hatte, und Star nahm einen, Reba auch, aber Maya und Merry winkten ab – Schinken war schließlich Fleisch, Schwein, totes Schwein, egal, wie man es verbrämte. »Und was war dann?« fragte Lydia.
»Na, wir haben mal da, mal dort gewohnt. Bei Bekannten von ihm. Haben jede Menge Drogen eingeworfen. Ich bin dann eine Zeitlang arbeiten gegangen, in einem Drugstore an der Kasse, und wenn gerade niemand hinsah, hab ich ein paar Pillen abgezweigt, so in der Art, wißt ihr.« Der Käse kam auf seiner Runde zu ihr, und alle sahen Merry zu, wie sie sich zwei dicke Scheiben abschnitt und auf die Cracker legte. »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Und dann kamen wir in diese Kommune – Harrad House hieß die. Die war anders als hier, total anders. Die waren richtig auf Sex fixiert. So eine Art Gruppenehe.«
»Und wie war es?« Das war Lydia, die Expertin in der Runde. »Mußtest du mit jedem einzelnen schlafen?«
»So was fände ich widerlich«, sagte Star. »Echt widerlich.«
»Klingt doch spitze«, sagte Lydia. »Je mehr, desto besser.«
Reba lachte laut auf. Sie nahm einen tiefen Schluck Wein und reichte die Flasche an Lydia weiter. »Das sagst du jetzt, aber glaub mir ... Ich meine, bevor ich Alfredo kennengelernt hab, da war ich ja auch verdammt wild, als wär ich Tag und Nacht läufig – also, ich konnte zu Männern nur im Bett Kontakt finden, aber das wurde schnell eintönig. Echt schnell. Stimmt’s, Merry? War’s bei dir auch so?«
»Es war beschissen. Die hatten mehr Typen als Bräute, und Tommy war nur noch ein Schatten irgendwie – ich hab ihn kaum je gesehen. Die Hälfte der Zeit hat mich irgendwer aufs Kreuz gelegt, und wenn ich bei einem dieser Familienmitglieder mal nicht wollte, dann hieß es gleich, ich sei verklemmt oder ich würde schlechte Schwingungen verbreiten und die Atmosphäre vergiften, denn so war das bei denen. Zack, rein ins Schlafzimmer. Kleider vom Leib. Fünf Uhr morgens, fünf Uhr abends, egal, bumsen wir.« Sie machte eine Pause, und als sie weitersprach, versank ihre Stimme praktisch durch die Bodenplatte. »Jeder hatte da seine Aufgabe im Haushalt, also Boden putzen, Nudeln kochen, arbeiten gehen und Geld nach Hause bringen. Mein Job war es, zu ficken. Wie eine Maschine. Wie ein Karnickel.«
»Wo ist nur Verbie, wenn wir sie mal brauchen – da geht’s um die Gleichberechtigung, was?« meinte Reba und verfehlte haarscharf das Thema. Wie üblich.
Star spürte ihr Herz rasen, und es war, als stünde sie wieder im Supermarkt, mit Käse im Wert von fünfzehn Dollar im Mantelfutter. »Klingt ja genau wie bei der Kerista-Gesellschaft.«
»Wie bei der was ?«
Aber sie starrte jetzt aus dem Fenster, auf eine Szene aus einem anderen Jahrhundert, die spitzen Kiefern und ein Farmhaus, das von seinem eigenen bleichen Glanz und von dem Schatten der Scheune dahinter eingerahmt wurde. Sie schliefen da drinnen, der Farmer und seine Frau, die Kinder, der Hund. In der Küche stand ein alter Eichentisch, schweres rosa Porzellan, schon
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