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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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und die Auslöser zu spannen, entwickelte sich zu einer Art Spiel. Irgendwann ging Anise ins Haus, um eine Flasche Wein zu holen, und er rief ihr nach, sie solle doch mal in der Speisekammer nachsehen, ob Sardinen da seien – es waren welche da –, und als sie zurückkam, legten sie in jeder Falle drei Sardinen auf die Erdnussbutter. Dann traten sie zufrieden zurück und nippten an ihrem Wein, während die Nacht sich herabsenkte.
    Und jetzt, bei Tagesanbruch, erwacht er mit einem Ruck, denn irgendwas stimmt nicht, irgendwas ist ganz eindeutig nicht in Ordnung, aber was? Er hat geträumt … Wovon? Von Verfolgung, von Angst, von Gesichtern aus der Vergangenheit, in unmöglicher Gleichzeitigkeit erschienen, um seine Fehler und Unzulänglichkeiten zu tadeln. Von schwindelnder Höhe. Von einem tiefen Fall. Von Lachen, so hart und rauh wie Hass. Er setzt sich auf, schiebt sich die Dreadlocks aus dem Gesicht. Seine Kopfhaut juckt. Sein Magen rebelliert. Er hat leichte Kopfschmerzen, eine Tatsache, die gerade schleichend und leise zu ihm durchdringt. Er steht im Badezimmer am Waschbecken, starrt stumpf sein Spiegelbild an und stürzt zwei Gläser Leitungswasser hinunter, als er sich an die Fallen erinnert.
    Zielstrebig geht er zurück ins Schlafzimmer, zieht Shorts und Sweatshirt an und schlüpft in die Sandalen – nicht aus Leder, sondern aus synthetischen Materialien, denn Leder vergrößert nur noch den Profit der Mörder –, und dann ist er draußen, in der morgendlichen Kühle. Die Hunde lässt er im Haus, damit sie nicht vorausrennen und sich über die Fallen hermachen. Er rechnet eigentlich nicht damit, schon etwas gefangen zu haben, nicht in der ersten Nacht, stellt aber fest, dass er seine Schritte beschleunigt. Gestern hat er die Fallen abgeholt, und der Animal-Control-Mann mit der zu lauten und viel zu sehr von sich eingenommenen Schleifpapierstimme hat ihm die am Telefon gestellte Frage beantwortet. »Was Sie dann damit machen?« Er war spindeldürr und hatte eng zusammenstehende Augen, und sein braunes Haar lag so glatt an seinem Schädel wie der Pelz eines Seeotters. »Das liegt ganz bei Ihnen. Wir können sie jedenfalls nicht nehmen. Der Besitz von wilden Tieren ist nicht erlaubt.«
    »Also was mache ich dann – sie irgendwo freilassen? In den Bergen?« Er zeigte aus dem Fenster hinter ihm, wo die Santa-Ynez-Berge steil aufragten.
    »Tja, das denken alle«, sagte der Mann, »aber wenn man Tiere so aussetzt, macht man’s ihnen richtig schwer. Sie kennen die Gegend nicht und finden sich nicht zurecht. Außerdem ist das Territorium zu neunundneunzig Prozent schon besetzt.«
    »Und was wollen Sie damit sagen?«
    Der Mann schüttelte langsam den Kopf. »Ich will gar nichts sagen. Aber das sind Problemtiere, stimmt’s?« Auf dem unteren Teil seines Gesichts breitete sich ein sardonisches Lächeln aus. Sein Blick kehrte sich nach innen, als wäre er überfordert von der Anstrengung, ihn zu konzentrieren. »Sie haben sie gemeldet. Sie zerstören Ihr Eigentum, Ihren Rasen.« Er hielt inne, breitete abwehrend die Hände aus, hob die Schultern und ließ sie mit einer barocken Geste fallen. »Wir sind der Meinung, dass es ganz bei Ihnen liegt, wie Sie sie entsorgen.«
    Und so schleicht er über den Rasen, der noch nass von Tau ist. Heute morgen ist es neblig, dünne Schwaden hängen in den unteren Zweigen der Bäume und steigen auf, um den Himmel herunterzuholen. Er hat nicht eine, sondern zwei Fallen genommen, denn es waren ja schließlich zwei Tiere, und jedes würde wahrscheinlich seine eigene Falle haben wollen, aber er ist kein Verhaltensforscher oder Pelztierjäger und kann eigentlich nur das Beste hoffen.
    Die erste Falle, die er mitten auf dem Rasen aufgestellt hat, ist so leer wie der Nebel selbst – so sieht es jedenfalls aus, bis er direkt davor steht und das gegen das Gitter gepresste Stück Fell sieht. Doch die Farbe stimmt nicht: weiß, nicht braun oder goldgelb oder grau. Plötzlich denkt er an Gefahr, an winzige Bisswunden, schwärende Kratzer und Tollwut, und so beugt er sich sehr vorsichtig hinunter, späht in den Kasten und erkennt die fette Angorakatze aus der Nachbarschaft, die er schon mehrmals aus seinem Garten hat verjagen müssen, weil sie die Kardinalsünde begangen hat, Vögeln nachzustellen. Ihre Augen sind sanft flehende Teiche. Sie beginnt zu schnurren.
    Eine Sekunde lang überlegt er, ob er das Tier mitsamt der Falle zu seinen Besitzern bringen soll, einem älteren Ehepaar, das

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