Grün wie die Hoffnung: Roman (German Edition)
kriegen, dann stehe ich auch danach noch viele Jahrhunderte lang hier. Und du, Hoyt, bist dann nichts als Futter für die Würmer. Wem von uns hat das Schicksal also zugelächelt?«
»Was ist meine Macht, wenn ich jene eine Nacht, jenen einen Moment nicht ändern kann? Ich hätte mit dir gehen sollen. Ich wäre für dich gestorben.«
Cian hob ruckartig den Kopf und sagte wütend: »Lass mich mit deinem Tod oder deiner Reue in Ruhe.«
Hoyt jedoch empfand keine Wut. »Und du wärst für mich gestorben. Für jeden Einzelnen von ihnen.« Er wies auf die Grabsteine.
»Früher einmal.«
»Du bist meine andere Hälfte. Nichts, was du bist, nichts, was geschehen ist, ändert daran etwas. Das weißt du ebenso gut wie ich. Unter all dem sind wir, was wir immer waren.«
»Ich kann in dieser Welt nicht existieren.« Endlich äu ßerte er Gefühle. »Ich kann weder um mich noch um dich trauern. Auch nicht für sie. Und du sollst verdammt sein, dass du mich dorthin zurückbringst.«
»Ich liebe dich. Ich kann nicht anders.«
»Was du liebst, gibt es nicht mehr.«
Doch, dachte Hoyt, er sah ja das Herz dessen, den er geliebt hatte. Es war in den Rosen, die sein Bruder am Grab ihrer Mutter gepflanzt hatte.
»Du stehst hier mit mir und den Geistern unserer Familie. So sehr hast du dich gar nicht verändert, Cian, sonst hättest du das hier nicht getan.« Er fuhr mit dem Finger über die Blütenblätter einer Rose am Grab seiner Mutter. »Das hättest du sonst nicht tun können.«
Cians Augen waren auf einmal alterslos, erfüllt von jahrhundertealter Qual. »Ich habe den Tod gesehen. Abertausende habe ich sterben sehen. An Alter und Krankheit, durch Mord und Krieg. Sie aber habe ich nicht sterben sehen, und das war alles, was ich für sie tun konnte.«
Hoyt bewegte die Hand, und die Blütenblätter einer verblühten Rose fielen auf das Grab seiner Mutter. »Es war genug.«
Cian blickte auf die Hand, die Hoyt ihm entgegenstreckte. Er seufzte tief auf. »Nun, verdammt noch mal«, sagte er und ergriff sie, »Wir beide waren lange genug drau ßen. Wir sollten das Schicksal nicht länger versuchen. Und ich will ins Bett.«
Sie gingen denselben Weg zurück, den sie gekommen waren.
»Fehlt dir die Sonne?«, fragte Hoyt. »Fehlt es dir, sie auf der Haut zu spüren, dich im Sonnenschein zu bewegen?«
»Man hat herausgefunden, dass sie Hautkrebs verursacht.«
»Hmm.« Hoyt überlegte. »Aber trotzdem, ein warmer Sommermorgen …«
»Ich denke nicht darüber nach. Ich mag die Nacht.«
Vielleicht war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um Cian um ein wenig Blut zu bitten.
»Was machst du denn eigentlich für Geschäfte? Und was machst du in deiner Freizeit? Hast du …«
»Ich tue, was mir beliebt. Ich arbeite gerne; es ist befriedigend. Und das Spiel wird dadurch umso reizvoller. Und bei einem morgendlichen Spaziergang im Regen kann man nicht so viele Jahrhunderte aufholen, selbst wenn ich möchte.« Er legte sich das Schwert über die Schulter. »Aber wahrscheinlich holst du dir sowieso den Tod, und die Fragerei bleibt mir erspart.«
»Ich bin nicht so empfindlich«, entgegnete Hoyt fröhlich. »Das habe ich wohl bewiesen, als ich eben noch dein Gesicht poliert habe. Du hast eine schöne Schramme am Kinn.«
»Sie wird schneller wieder weg sein als deine, es sei denn, die Hexe mischt sich ein. Ich habe mich jedenfalls zurückgehalten.«
»Blödsinn.«
Die düstere Stimmung, die ihn stets überkam, wenn er den Friedhof besuchte, hob sich. »Wenn ich mit voller Kraft auf dich losgegangen wäre, würden wir jetzt da hinten dein Grab schaufeln.«
»Na, dann lass es uns doch noch einmal probieren.«
Cian warf Hoyt einen Blick von der Seite zu. Erinnerungen, die er sich so lange versagt hatte, stiegen in ihm auf. »Ein anderes Mal. Wenn ich erst mal mit dir fertig bin, hast du kein Verlangen mehr danach, mit dem Rotschopf zu vögeln.«
Hoyt grinste. »Du hast mir gefehlt.«
Cian blickte zu Boden. »Verdammt, du mir auch.«
14
Mit einer gespannten Armbrust bewaffnet hielt Glenna Wache vom Turmfenster aus. Natürlich hatte sie nur sehr wenig Übung mit dieser speziellen Waffe, und es war fraglich, ob sie ihr Ziel überhaupt treffen würde, aber sie konnte doch nicht einfach dasitzen und die Hände ringen wie eine hilflose, kleine Frau. Wenn die verdammte Sonne herauskäme, bräuchte sie sich keine Sorgen zu machen. Und sie bräuchte auch nicht dauernd die Bilder im Kopf zu haben, dass die beiden von einem Vampirrudel
Weitere Kostenlose Bücher