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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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geschehen?«
    »Es ist geschehen.«
    »Könntest du nicht diesen schrecklichen Apfel weglegen?!« ¡
    »Laß mich, Vicky, ich muß meine bitteren Erkenntnisse mit irgend etwas hinunterwürgen, sie bleiben mir sonst im Hals stecken.«
    Viktoria sah ihre Tochter an, als blicke sie von der Höhe eines Aussichtsturmes auf sie herab: »Gib dir keine Mühe, meine Liebe«, sagte sie kühl, »ich finde es nicht allzu interessant, zu welchen Erkenntnissen du dich durchgerungen hast. Die Sprunghaftigkeit deiner Launen hat mein Organ für Überraschungen im Laufe der Zeit ziemlich stark abgenutzt. Ich weiß genau, was dich veranlaßt, mir Herrn Guntram sozusagen auf dem Tablett zu präsentieren. Du möchtest erfahren, wie ich darauf reagiere. Laß dir sagen: Mein Bedarf an Szenen ist gedeckt! Und im Augenblick habe ich wirklich andere Sorgen.«
    Ihre Ruhe war nur vorgetäuscht. Innerlich kochte sie vor Empörung. Und es machte die Sache nicht besser, daß sie sich eingestehen mußte, Manuela und auch Gregor gegenüber als Mutter kläglich versagt zu haben. Die Sorge um das Geschäft war nur eine halbe Ausrede dafür, daß sie die Erziehung der
    Kinder vernachlässigt hatte. Es war bequemer, Kamerad als Mutter zu sein. Aber das Resultat dieses Kameradschaftsverhältnisses bekam sie jetzt zu spüren.
    Sie stand auf, um in ihr Zimmer hinüberzugehen. Es war ein Zufall, daß Manuela ihr in den Weg trat. Sie suchte nach einer Ablage für das Apfelgehäuse.
    »Hast du mir nicht gedroht, mir mein Spielzeug wegzunehmen?« fragte sie und sah Viktoria aus glitzernden Augen an.
    Der Topf lief über. Im Bruchteil einer Sekunde, so daß Manuela nicht einmal zu einer Abwehrbewegung kam, zuckte Viktorias Hand empor und klatschte rechts mit der Handfläche und links mit dem Handrücken in Manuelas Gesicht. Sie stand da, als hätte sie ein Blitz getroffen. Viktoria, schneeweiß im Gesicht, schien nur noch aus lodernden Augen zu bestehen. Kein Wort fiel. Alles ging wie im Stummfilm vor sich.
    Manuela hob die Hände erst an die brennenden Wangen, als Viktoria längst in ihrem Zimmer verschwunden war und die Tür hinter sich mit einem energischen Ruck ins Schloß geworfen hatte.
    Eine ganze Stunde verging. Viktoria rührte sich nicht im Zimmer und nicht aus dem Zimmer, und Manuela schluchzte tränenlos auf ihrem Bett, spielte das beleidigte Zaunkönigsjunge und wartete darauf, daß Viktoria sich bei ihr entschuldigen werde. Allmählich beruhigte sie sich, und mit der Beruhigung kam ihr die Einsicht, daß sie doch wohl ein wenig zu weit gegangen war. Und wenn man zudem bedachte, daß die Geschichte mit Gregor Vicky natürlich eine Menge Kummer bereitete, dann konnte man schon verstehen, daß ihr die Hand einmal ausgerutscht war. Sie schlich auf Strümpfen auf den Korridor hinaus und lauschte an Viktorias Tür. In ihrem Zimmer regte sich nichts. Wahrscheinlich hatte Vicky sich hingelegt und ein Beruhigungsmittel genommen. Sie litt manchmal an Schlaflosigkeit und hatte immer einen Tablettenvorrat in ihrer Schublade. Aber diese Totenstille war fast beängstigend. Manuela kratzte leise an der Tür.
    »Vicky...«
    Sie bekam keine Antwort.
    »Vicky!!!« Sie drückte die Klinke nieder, aber die Tür war verschlossen. Zum erstenmal verschlossen!
    »Vicky! Um Gottes willen, mach auf!« Sie rüttelte an der
    Tür und spürte eine lähmende Angst in sich auf steigen. Aber plötzlich gab die Tür ihrem Druck nach, und sie fiel fast in Viktorias Schlafzimmer.
    »Laß mich zufrieden«, sagte Viktoria eisig. »Ich habe für eine Weile von dir genug.«
    Aber Manuela warf sich ihr an die Brust und vergrub das Gesicht an Viktorias Schulter: »Ach, Vicky, ich weiß, ich bin ein widerliches Biest«, schluchzte sie unter Tränen.
    Viktoria löste ihre Arme von ihrem Hals: »Mach es nicht schlimmer, als es ist. Du bist kein Biest, du spielst dich nur manchmal so auf. Aber du mußt allmählich begreifen lernen, daß du nicht im Mittelpunkt der Welt stehst und daß sie sich nicht um dich dreht.«
    »Ach, Vicky, ich bin so unglücklich!«
    »Unglücklich? Ich dachte, du seiest verliebt...«
    Manuela nickte heftig: »Ja, Vicky, dieses Mal hat es mich ganz schwer erwischt.«
    Viktoria runzelte die Stirn. Erwischt! Das redete von der Liebe wie von einer Grippe. Aber diese Tochter, die ihr manchmal so bestürzend fremd war wie ein Wesen von einem anderen Stern, schien doch der gleichen Empfindungen fähig zu sein wie sie selber. Manchmal hatte sie fast geglaubt, an der Stelle

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