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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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die Rippen, »willst du auf Warnungen nicht recht hören, nicht wahr?«
    »Ich bin hier, um deinen Rat zu hören!«
    »Ich werde mich hüten, dir einen Rat zu geben. Ich säge
    doch nicht den Ast ab, auf dem ich sitze und von dessen Früchten ich mich ernähre.«
    »Das war deutlich, mein Lieber.«
    »Was hast du von mir erwartet? Ich kann höchstens die delphische Pythia spielen: Wenn du alter Esel dieses junge Ding heiratest, wird ein Mann an dir eine Menge Geld verdienen: Dein Scheidungsanwalt.«
    Guntram schob den Becher zurück. Der Drink, den Hellwig ihm vorgesetzt hatte, war nicht nach seinem Geschmack. Er wünschte sich einen anständigen, ehrlichen Whisky.
    »Du hast vollkommen recht. Es war ein Fehler, dir dieses Gesöff vorzusetzen. Der Name reizte mich dazu. Du brauchst das reine Feuer des Geistes, du brauchst einen Läuterungstrank, einen Schmelzofen, der die Schlacke vom Gold deiner Gedanken scheidet.« Hellwig ging zur Bar, schenkte den Läuterungstrank in zwei neue Becher und kehrte mit ihnen zu der Kaminecke zurück, wo sie sich in zwei hohen, mit englischem Leinen überzogenen Ohrenbackensesseln niedergelassen hatten. »Nun«, fragte er nach einer langen Gesprächspause, »wie fühlst du dich jetzt?«
    »Ich habe ein scheußliches Erlebnis gehabt. Ein Trottel von einem Kellner hat mich für Manuelas Vater gehalten.«
    Er sah Hellwig an, als erwarte er einen Heiterkeitsausbruch, aber Hellwig lachte nicht.
    »Ich fürchte, mein Lieber, dieser Peinlichkeit wirst du in Zukunft noch manchmal begegnen, denn es laufen ziemlich viele Tölpel und Flegel in der Welt herum. Aber soll das der Grund sein, der dich hindert, Manuela zu deiner Frau zu machen?«
    »Natürlich nicht.«
    »Was denn sonst?«
    »Du wirst es lächerlich finden.«
    »Ich finde in der Liebe nichts lächerlich — außer den Verliebten.«
    »Ich bin von diesem Mädchen einfach bezaubert. Hältst du das für eine Alterserscheinung?«
    »Dafür bist du wohl noch nicht alt genug. Aber ich würde mit einem Schachausdruck sagen, daß du dich in >Zeitnot< befindest. Denn so taufrisch bist du wiederum auch nicht, um dir ein allzu langes Zögern leisten zu können.«
    Guntram nahm das Foto, das noch zwischen ihnen auf dem
    Tisch lag, wieder an sich und verwahrte es in seiner Brieftasche.
    »Das Bild eines hübschen Mädchens... Aber es sagt nichts von ihrem Wesen. Es sagt nichts von ihrer Anmut, von ihrer Heiterkeit, von ihrem Sinn für Humor, vom Glanz ihrer Erscheinung... Ich habe das Gefühl, in ihrer Gegenwart etwas zurückzugewinnen, was mir verlorengegangen ist.«
    »Ich hätte dir den Whisky schon vor einer Stunde geben sollen.«
    »Ich habe Viktoria Mellin gesagt, sie könne mir Manuela unbesorgt anvertrauen.«
    Hellwig schob die Brille in die Stirn und sah Guntram mit einem Blick an, als entdecke er im Schaufenster eines Antiquars das vollständige Exemplar einer 36zeiligen Pfister-Bibel.
    »... aber nichts hätte mich gehindert, mich über dieses Versprechen hinwegzusetzen. Am wenigsten Manuela selber.«
    »Aber?« fragte Hellwig und ließ die Brille auf die Nase zurückfallen, »was verwirrt dich in deiner Verzauberung?«
    »Ich will es dir sagen: Ich begehre Manuela nicht als Frau.«
    »Das ist allerdings ein sehr überraschendes Geständnis.«
    »Sie bedeutet mir ein wunderbares Erlebnis, ein Erlebnis, dem ich noch nie begegnet bin und das mich beunruhigt.«
    »Weil es außerhalb deiner bisherigen Erfahrungen liegt?«
    Guntram hob die Schultern: »Ja.«
    »Ganz komme ich da nicht mit.«
    »Sie ist so unglaublich jung«, sagte Guntram.
    »Und du möchtest sie am liebsten in eine Vitrine setzen, um sie hinter Glas zu bewundern, wie? Ich fürchte nur, damit wird sie nicht zufrieden sein.«
    »Sie müßte etwas mehr von ihrer Mutter haben«, murmelte Guntram.
    Hellwig beugte sich plötzlich vor und starrte Guntram an.
    »Jetzt wird mir die Sache klar«, sagte er und schlug sich vor die Stirn, »deine zärtlichen Gefühle für Manuela sind väterlicher Natur. Heirate doch ihre Mutter!«
    Guntram war gerade dabei, sein Glas zu leeren. Er verschluckte sich schrecklich und erstickte fast an dem brennenden Whisky, der ihm in die Unrechte Kehle geraten war.
    »Du bist ja verrückt«, keuchte er, während Hellwig seinen Rücken bearbeitete, um ihn vor dem Erstickungstode zu bewahren.

17

    Beide Zeitungen, Anzeiger und Kurier, brachten die Geschichte des Einbruchs im Lokalteil ihrer Montagausgaben, mit Fotos des Fensters, durch das die

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