Grün wie ein Augustapfel
wäre unmöglich, aber er meinte, eine Frau wie meine Mutter, die vom Geschäft nicht allzuviel verstünde, wäre leicht zu hintergehen.«
»Das ist aber eine komische Wette«, murmelte der junge Mann und kratzte sich die Wange. Er sah plötzlich gar nicht mehr verlegen, sondern sehr ernst aus, und Manuela wurde es ein wenig unbehaglich zumute. Herr Balzer ließ sie deutlich merken, daß er an die Geschichte von der Wette nicht glaubte.
»Es wäre durchaus möglich«, sagte er düster, »daß im Geschäft gelegentlich ein Betrag von ein paar Mark nicht boniert und in die Tasche geschoben wird. Es könnte auch jemand vom Verkaufspersonal auf den Gedanken kommen, einen von unseren Ladenhütern mitzunehmen und draußen unter der Hand zu verkaufen.«
»Das meine ich doch nicht!«
»Eben, Fräulein Mellin, Sie sprachen von zwei oder drei Mille oder noch höheren Beträgen. Nun, ich will Ihnen sagen, wer der einzige im Geschäft ist, der solch einen Betrug riskieren könnte, ohne sogleich entdeckt zu werden.«
»Und wer wäre das?« fragte Manuela gespannt.
»Ich«, antwortete Herr Balzer und deutete mit dem Daumen auf seine Brust, »ich allein!«
Manuela wurde plötzlich sehr klein. Sie hatte das Gefühl, einen ganz anderen Menschen vor sich zu haben als den schüchternen jungen Mann, den sie immer ein wenig von oben herab behandelt hatte, da sie mit sicherem Instinkt erkannte, daß er sie heimlich verehrte.
»Fräulein Mellin«, sagte Herr Balzer sehr energisch, »Sie können mir nicht erzählen, daß der Gedanke, jemand könne im Geschäft Unterschlagungen begangen haben, Ihnen nur so von ungefähr gekommen ist. Ich möchte Sie jetzt dringend ersuchen, mir zu erklären, was Sie zu Ihrer Frage veranlaßt hat.«
Manuela warf einen Blick auf die Doppeltür, hinter der beide Bürodamen auf ihre Maschinen hämmerten.
»Keine Sorge, hier hört und hier stört uns niemand.«
»Also gut, Herr Balzer, es handelt sich um Herrn Freytag.«
Er sah sie sekundenlang sprachlos an, und als sich sein verblüffter Ausdruck schließlich änderte, zeigte er weit mehr als Entrüstung den deutlichen Verdacht, bei Manuela müsse sich eine Schraube gelockert haben.
»Schauen Sie mich nicht an, als ob Sie mich für übergeschnappt hielten«, fuhr Manuela ihn an.
»Entschuldigen Sie, Fräulein Mellin«, sagte er kopfschüttelnd, »aber Ihr Verdacht ist absurd. Einfach absurd!«
»Genau das gleiche hätte ich Ihnen vor drei Tagen auch gesagt, Herr Balzer. Wissen Sie, daß Freytag spielt?«
»Natürlich, wir spielen alle, wir sind eine Tippgemeinschaft, jeder zahlt wöchentlich zwei Mark, und wir haben im vergangenen Jahr im Lotto einmal zweitausendneunhundert Mark gewonnen.«
»Nicht so, ich meinte, ob Sie wissen, daß Herr Freytag ständiger Gast der Kissinger Spielbank ist und dort mit Einsätzen spielt, die in die Tausende gehen?«
»Tatsächlich?« fragte der junge Mann und legte den Kopf schief auf die Schulter. Es war klar, er glaubte Manuela kein Wort. »Ich kenne Herrn Freytag seit acht Jahren, Fräulein Mellin, und in dieser ganzen langen Zeit ist er für mich ein Vorbild an Korrektheit und tadellosem Verhalten gewesen. Und dazu ein Fachmann, wie er im Buch steht!«
»Kennen Sie ihn auch persönlich näher?«
»Das gerade nicht, schließlich ist er bedeutend älter als ich und im Umgang sehr zurückhaltend.«
Manuela berichtete ihm ihr Erlebnis mit Freytag. Sie erwähnte Guntram als guten Bekannten, der über Freytag Erkundigungen eingezogen und erfahren habe, daß er seit Jahren ständiger Gast der Spielbank sei.
Der junge Mann stand auf, er wanderte in dem kleinen Raum einige Male zwischen Tür und Fenster hin und her und blieb schließlich Manuela gegenüber hinter seinem Schreibtisch stehen: »Was Sie mir erzählt haben, klingt so unwahrscheinlich, daß ich es kaum fassen kann. Und Wenn ich es nicht von Ihnen erfahren würde...«
»Glauben Sie etwa, daß es mich weniger überrascht hat?«
»Sicherlich nicht... Aber trotzdem... Ich kann es auch aus anderen Gründen nicht begreifen.« Er wand sich vor Verlegenheit.
»Los, Herr Balzer, nur heraus mit der Sprache!«
»Nun, Fräulein Mellin, ich wage es kaum auszusprechen, aber im Geschäft und im Büro waren wir alle der Meinung, daß Herr Freytag über kurz oder lang...«
»Weiter, Herr Balzer«, ermunterte ihn Manuela.
»... einmal unser Chef sein würde. Sie verstehen?«
»Durch eine Heirat mit meiner Mutter?«
Herr Balzer nickte stumm.
»Woher haben Sie
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