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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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soll ich dich in der Stadt absetzen?«
    »In der Nähe unseres Geschäftes. Ich habe einen Auftrag meiner Mutter an Herrn Balzer auszurichten.«
    Er führte sie vorsichtig zum Wagen zurück. Die Grasnarbe des Weges war für ihre hohen Absätze voller Tücken. Auf halbem Weg sah er sich um. Der Mais stand schon hoch, und in den Obstgärten war weit und breit kein Mensch zu entdecken.
    »Wenn du mich jetzt zu küssen versuchst«, sagte Manuela eisig, »ist es für alle Zeiten zwischen uns aus. Hast du mich verstanden?«
    »Ich weiß nicht, wie du darauf kommst«, stotterte er.
    »Ich kenne deine Blicke«, murmelte sie und setzte sich in den Wagen.

19

    In der Telefonzelle überlegte sich Manuela die Sache anders. Das Geschäft hatte eine Sammelnummer. Womöglich nahm Freytag ihren Anruf ab, und es war nicht ausgeschlossen, daß er das Gespräch mit anhörte. Da sie die Absicht hatte, sich mit Herrn Balzer außerhalb des Geschäftes zu verabreden, mußte ihm das viel mehr auffallen, als wenn sie Balzer einfach in seinem Büro aufsuchte. Ein Auftrag Viktorias an Herrn Balzer war leicht zu erfinden, man brauchte nur das Wort Finanzamt auszusprechen. Um Freytag nicht im Laden in die Arme zu laufen, benutzte Manuela den Lieferanteneingang, der von der Nebenstraße über den Lichthof zum Lager führte. Die beiden Büros, in denen Herr Balzer und die Damen Steguweit und Wiedholz arbeiteten, schlossen sich an das Papierlager an; das erleichterte die Kontrolle über die Papiere und Chemikalien, die Fräulein Wiedholz an das Großlabor im zweiten Stockwerk ausgab. Balzers Büro war ein kleiner Raum, durch eine geräuschdämpfende Doppeltür mit dem größeren Zimmer verbunden, in dem Fräulein Steguweit und Fräulein Wiedholz die Korrespondenz erledigten. Seit Jahren kämpfte Herr Balzer um eine Adressiermaschine, denn der Versand von Prospekten und Katalogen hatte einen Umfang angenommen, dem sein Büro kaum mehr nachzukommen vermochte.
    Herr Balzer hatte in seiner Jugend unter einer hartnäckigen Akne gelitten. Seine Stirn, die sich schon lichtete, obwohl er erst achtundzwanzig Jahre alt war, sah immer noch ein wenig narbig aus. Er errötete heftig, als Manuela in sein Büro trat, denn er war gerade beim Frühstück, und ausgerechnet heute hatte ihm seine Mutter die Brote mit einem ziemlich überfälligen Romadur belegt, der einen intensiven Duft verbreitete. Er stopfte die Brote in die Kunststoffdose zurück und riß das Fenster auf, ehe er Manuela begrüßte.
    »Entschuldigen Sie, Fräulein Mellin, der Käse...«
    »Aber ich bitte Sie, Herr Balzer«, sagte Manuela betörend liebenswürdig, »ich habe mich zu entschuldigen, daß ich Sie beim Frühstück störe.«
    Er stürzte herbei und schob ihr einen Stuhl an die Kniekehlen: »Diese Geschichte in der Zeitung«, rief er, »schrecklich, schrecklich! Wir sind alle ganz durcheinander. Fräulein Steguweit kann sich gar nicht darüber beruhigen. Sie hat ganz verschwollene Augen. So ein netter Mensch, der junge Herr Gregor. Und was Ihre Frau Mutter dabei durchmacht...«
    »Ich werde ihr erzählen, Herr Balzer, wie nahe Ihnen allen die Sache geht. Meine Mutter ist gerade beim Anwalt. Wir können nur hoffen, daß sich mein Bruder mit diesem dummen Streich nicht allzu tief in die Tinte geritten hat.«
    »Das hoffen wir alle von ganzem Herzen!«
    »Danke, Herr Balzer.«
    »Und was führt Sie zu mir, wenn ich fragen darf? Haben Sie einen Auftrag Ihrer Frau Mutter für mich?«
    »Eigentlich nicht«, sagte sie zögernd, »es handelt sich um eine recht komische Geschichte.«
    Er sah sie erwartungsvoll an, mit dem treuen Blick eines Spaniels, der darauf wartet, einen Ball apportieren zu dürfen.
    »Sie kennen sich doch in unserem Geschäft aus, Herr Balzer, nicht wahr?«
    »Gewiß«, murmelte er zurückhaltend, als verbiete es ihm die Bescheidenheit, mit einem allzu forschen Ja zu antworten.
    »Nehmen wir einmal an, Herr Balzer, jemand im Geschäft benötigte dringend eine größere Summe. Sagen wir einmal: ein paar tausend Mark, es können zwei-, drei- oder auch mehr sein. Gäbe es eine Möglichkeit, solch eine Summe im Geschäft zu veruntreuen, ohne daß es bemerkt wird?«
    Er starrte Manuela fassungslos an. Was er auch erwartet haben mochte, diese Frage ließ ihn einfach aus den Wolken fallen. »Haben Sie einen Verdacht, daß so etwas im Geschäft vorgekommen ist?« stotterte er.
    »Nein, Herr Balzer. Es handelt sich um eine Wette sozusagen mit einem Bekannten. Ich sagte natürlich, es

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