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Gründergeschichten

Titel: Gründergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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schon erkennen, welche Gesetzmäßigkeiten
     in diesem Land herrschen. Am schwierigsten aber sind die Amerikaner, gerade weil wir meinen, die haben doch die gleiche Mentalität
     wie wir. Tatsächlich ticken die ganz anders. Da tappt man ganz schnell irgendwo rein, beispielsweise mit einer ungeschickten
     Formulierung in der E-Mail oder durch fehlende obligatorische Floskeln. Ein Chinese verzeiht sprachliche Holprigkeiten, ein
     Amerikaner nicht.
    Nach drei Jahren Anlaufphase machte unsere Firma Gewinne. Die Lasertechnologie ist eine hoch dynamische Sparte. Uns war klar,
     dass wir nicht nur mit unserer Technologie vorne sein, sondern auch schnell wachsen mussten, um uns gegen die Großen in der
     Branche zu behaupten. Doch wenn man international vorankommen will, braucht man Geld. Das Geld konnten wir von unseren deutschen
     Geldgebern nicht bekommen. Wir hatten die Wahl, entweder klein zu bleiben oder zu wachsen und uns Geld von der Börse zu holen.
     1999 beschlossen wir den Börsengang. Sicher, man begibt sich damit in eine gewisse Abhängigkeit. Aber in Deutschland gab es
     nun mal kein Geld. Die Vorbereitungen für den Börsengang waren extrem anstrengend, körperlich und geistig. Wir fuhren durch
     Deutschland und in die Schweiz, um mit Investoren zu sprechen. Ich wusste zuletzt gar nicht mehr, wo wir gerade waren – Frankfurt,
     Zürich, München, Düsseldorf. Du führst täglich zehn Gespräche, im Dreiviertelstundenrhythmus. Du stehst zum ersten Mal vor
     30 Presseleuten. Du hast keine Ahnung, wie das ankommt. Du funktionierst wie eine Marionette.
    Trotzdem war der Schritt richtig. Es würde WaveLight in der heutigen Form nicht geben, wenn wir nicht an die Börse |77| gegangen wären. Natürlich besteht die Gefahr, dass wir von der Konkurrenz gefressen werden. Seit wir als erstes europäisches
     Unternehmen die Zulassung der amerikanischen Gesundheitsbehörde für unsere Geräte in den USA haben, ist dieses Risiko immer
     größer geworden. Wenn sie Unternehmen mit Milliardenumsätzen übernehmen, warum nicht eins mit 70 Millionen? Ich sehe das gelassen.
     Wenn es so weit kommen sollte, stellt sich die Frage »Wollen wir es verhindern oder sogar forcieren?« Wir haben viele kleine
     Aktionäre, das ist ein Schutz vor Übernahme. Es gibt nur einen Aktionär, der mehr als fünf Prozent Anteile hat. Ich habe sechs.
    Wir hatten sehr schnell Erfolg auf dem amerikanischen Markt. Vielleicht ein bisschen zu schnell. Als kleines deutsches Unternehmen
     wird man zunächst nicht ernst genommen. Im Windschatten der Großen konnten wir uns ein paar Jahre entwickeln und in aller
     Ruhe unsere Produkte vermarkten, ohne von der Konkurrenz wahrgenommen zu werden. Doch bald hatten wir bei refraktiven Augenlasern
     einen Marktanteil von fast 30 Prozent erreicht. Da fingen sie plötzlich an, uns zu beachten. Der amerikanische Markt für diese
     Spezialgeräte ist eng. Was wir erkämpften, nahmen wir einem anderen weg. Das ist ein reiner Verdrängungswettbewerb. Irgendwann
     sind die anderen aufgewacht. Es war klar, was in solchen Situationen bei der Konkurrenz passiert: Da gibt es erst mal ein
     Donnerwetter, dann wird überlegt, was man machen kann – nämlich die Marketingstrukturen zu verbessern. Wir haben zu lange
     zugeschaut. 2006 bekamen wir die Quittung: Unsere Verkaufszahlen brachen ein.
    Es lag nicht am Produkt. Unsere Lasergeräte sind die Besten in ihrem Segment. Es lag am Marketing. Ich habe den |78| USA-Chef ausgetauscht, wir haben Personal ergänzt und das Marketing verbessert. Aber die USA waren nicht das einzige Problem.
     Es gab auch an anderer Stelle Dinge, die aus dem Ruder liefen.
    Viele Gründer kommen aus technischen Berufen, viel seltener aus der Finanz- oder Vertriebssparte; sie sind Ingenieure, so
     wie ich. Wir finden es toll, etwas zu entwickeln. Wir neigen aber dazu, den Aufwand zu unterschätzen, den es braucht, um unser
     Produkt zu vermarkten. Und wir unterschätzen die Fallstricke der Finanzwelt. Ich mache mir Vorwürfe, in einigen Bereichen
     nicht genauer hingeschaut zu haben. Wir haben unser tägliches Geschäft mit Eigenkapital finanziert. Ich habe nicht bemerkt,
     dass jeden Monat mehr hinausfloss als hereinkam. Irgendwann war das Ersparte aufgebraucht.
    Ich zahlte in diesem Jahr viel Lehrgeld, aber mir wurde klar: Wir müssen viel mehr auf das Controlling achten. Ein gutes Finanzcontrolling
     ist nicht nur eine Zahlensammlung, die die Gegenwart und Vergangenheit abbildet, es macht auch

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