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Gründergeschichten

Titel: Gründergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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die Zukunft in Worten und Zahlen
     transparent, sodass man sehen kann, wohin die Reise geht. In meinem Innersten wusste ich, wir vernachlässigen das, aber ich
     habe mich nicht persönlich darum gekümmert. Das rächte sich.
    Wir arbeiteten im Team. Ich hatte einen Finanzvorstand und einen Vertriebsvorstand, und die betrachtete ich als die Fachleute,
     die wissen, was sie tun. Das war ein Fehler. Als Gründer und Chef solltest du immer den Überblick behalten, man darf sich
     nicht zurückziehen auf sein Fachgebiet und sagen, den Rest machen die anderen. Man muss nicht alle Details verstehen, aber
     man muss zumindest die Grundzüge kennen und die Folgen. Davor darf man sich nicht drücken. |79| Ein Gründer sollte von allem eine Ahnung haben und niemals die Verantwortung für einen Bereich komplett abgeben. Bei einem
     kleinen Börsenunternehmen wie unserem muss der Chef noch persönlich mit den Investoren und den Kunden reden, er muss sich
     um die Finanzen ebenso kümmern wie um die Technik. Wer ganze Bereiche vernachlässigt, der gerät in die Abhängigkeit von anderen.
    Natürlich muss ein guter Unternehmer Aufgaben delegieren, aber er darf nicht ahnungslos sein, was in einzelnen Bereichen passiert.
     Das ist eine ganz schwierige Gratwanderung: Man muss seinen Führungskräften Freiraum lassen und sie trotzdem kontrollieren
     und darauf achten, ob der gemeinsame Weg wirklich noch gegangen wird oder ob jemand ausbüchst. Ich bin nicht misstrauischer
     geworden, aber ich hinterfrage mehr. Manchen kann ich den Freiraum nicht lassen, weil ich nicht weiß, wohin sie laufen würden.
     Anderen wiederum vertraue ich blind. Die Kollegen müssen mich erst überzeugen, bevor ich meine Unterschrift unter eine Investition
     setze. Zuletzt war ein Entwicklungsspezialist bei mir, der konnte mir nicht klar machen, was er wollte. Der bekam die Unterschrift
     nicht.
    Wir haben in diesem harten Jahr viel verändert, das Unternehmen komplett umstrukturiert, Geschäftsbereiche aufgegeben, die
     kein Kerngeschäft waren, wie die Industrielaser die und Ästhetiklaser. Ich trennte mich von meinem Finanzvorstand und hatte
     auch kein Glück mit seinem Nachfolger. Jetzt suche ich einen neuen. Es ist im Nachhinein müßig zu sagen, wer welche Fehler
     gemacht hat. Die Verantwortung hat immer der Chef, er muss den Überblick behalten und die Strukturen schaffen.
    |80| Wir mussten in der Folge mehr als vierzig Mitarbeiter entlassen. Die meisten Kündigungsgespräche haben mein Personalchef und
     die Bereichsleiter geführt, weil ich mich in dieser Phase auf einen anderen Kriegsschauplatz konzentrieren musste, auf die
     Finanzen und den Vertrieb. Das hat sie sehr gequält, aber es war unvermeidbar. Wir saßen davor zusammen und besprachen, wen
     es trifft und wie wir es machen. Wir beschlossen, dass es schnell gehen muss und wir deshalb alle Gespräche innerhalb von
     anderthalb Tagen führen. Sonst geht jeder heim und fragt sich, bin ich dabei? So konnten wir nach zwei Tagen sagen, es gibt
     keine weiteren Kündigungen mehr. Natürlich hatte ich Skrupel. Wer macht das schon gern, seine Mitarbeiter zu entlassen. Ich
     unterlag in meiner Zeit als Entwicklungschef bei Meditec auch schon mal dem Zwang, Mitarbeiter zu kündigen. Es ist trotzdem
     etwas ganz anderes, wenn man das in der eigenen Firma tun muss und bei Kollegen, mit denen man schon fast zehn Jahre zusammengearbeitet
     hat. Da schläft man zwei Nächte vorher nicht mehr. Man weiß genau, wer leicht einen neuen Job findet und wer sich sehr schwer
     tut, wegen seiner Persönlichkeitsstruktur oder mangelnden Qualifikation.
    Die Wahrheit ist: Auch ein junges Gründerunternehmen kann nur begrenzt sozial sein. Wenn man entlassen muss, um wieder effizient
     zu werden, dann muss man die packen, die nicht in die Organisation passen. Das sind meist jene, denen es schwerfällt, einen
     neuen Job zu finden. In Einzelfällen sind wir davon abgewichen, aber grundsätzlich traf es die, die nicht in die Struktur
     passten. Wenn ich das nicht mache, ist die ganze Anstrengung umsonst und dann hab ich ein halbes Jahr später die nächste Kündigungswelle.
    |81| Wir haben die Schwächen zum großen Teil behoben, das Geschäft läuft wieder. Wir konzentrieren uns jetzt ausschließlich auf
     die Augenheilkunde. Wir fahren mit einer kleineren Mannschaft, aber es geht vorwärts. Es ist uns trotz der Schwierigkeiten
     gelungen, die guten Leute an Bord zu halten. Wir bezahlen gut, aber das Wichtigste ist

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