Gründergeschichten
sitzenden Hass auf die Firma Salamander pflegte. Und der von Deichmann verlangte, sich vom Essener Salamander-Laden zu trennen
oder die Einkaufsvereinigung zu verlassen. »Da habe ich gesagt: Ich gehe diesen Weg. Du hast kein Recht, mir diese Beschränkung
aufzuerlegen«, sagt Deichmann. »Da habe ich nicht einen Moment gezögert. Von da an stand ich allein gegen andere Einzelhändler.«
Das habe auch Vorteile gehabt, denn mit der Einkaufsvereinigung ließ er auch viele fest gefügte Regeln hinter sich: »Ich konnte
dann überlegen, wie baut man so ein Geschäft auf.«
Deichmanns Antwort lautete: systematisch. Und: Der Erfolg beginnt im Einkauf. »Der gute Preis kommt dadurch, dass Sie vernünftig
und nichts überflüssiges einkaufen. Die Systematik des Einkaufs muss stimmen. Die Kundenwünsche müssen in statistische Unterlagen
gebündelt werden. Die |169| Schuhtypen müssen über die Kassen erfasst werden. Wir hatten zum Schluss 30 Leute, die haben nichts anderes gemacht, als Kassenzettel
in Listen zu übertragen. Zum Beispiel: Wie viele schwarze Herrenschuhe im Preissegment bis 29 D-Mark wurden verkauft, wie
viele darüber. Das muss man alles wissen. Ich habe sofort 1956 angefangen, diese Dinge auszuarbeiten: Karteikarten entwickelt
und Formulare entworfen.« Im Prinzip existiere dieses System heute noch – natürlich mittlerweile EDV-gestützt und nicht mehr
auf Karteikarten. Aber sonst habe sich nicht viel geändert. »Die meisten haben viel kompliziertere Warenwirtschaftssysteme
als wir, die aber nicht so wirkungsvoll sind. Das ist einer der Gründe, warum wir uns so gerade entwickelt haben.« Deichmann
will genau wissen, was die Leute zu welchem Preis kaufen wollen. Und dann besorgt er es.
Über Jahrzehnte ist es der Chef selbst, der die Schuhe für das stetig wachsende Unternehmen einkauft. »Ich habe versucht,
das Geschäft mit wenigen Fabrikanten zu machen. Früh bei der Modellgestaltung geholfen. Zwischenhändler ausgeschlossen. Ich
bin in den ersten Jahren fast jede Woche nach Pirmasens gefahren, wo die Schuhindustrie war. Dann war die Lagerdrehung hoch.
Wir haben das Lager fünf- bis sechsmal im Jahr gedreht. Da muss man immer die richtigen Schuhe haben. Mir hat neulich noch
ein Schweizer Fabrikant gesagt, ich hätte immer genau gewusst, wieweit ich bei den Preisverhandlungen gehen kann. Ich habe,
glaube ich, niemals jemandem wehgetan. Die Schuhe standen beim Fabrikanten mit Preisauszeichnung. Ich habe auf die Schildchen
Menge und Preis geschrieben, die ich haben wollte. Meistens ging das, konnten die das machen. Ich schrieb darauf 19 D-Mark, |170| 500 Paar. 29 D-Mark, 300 Paar.« Was aber war, wenn der Fabrikant zwei D-Mark mehr haben wollte? »Zwei D-Mark hat er sicher
nicht bekommen, aber vielleicht 50 Pfennig«, sagt Deichmann. »Das war kein Diktat. Wir haben immer Wege gefunden. Und wenn
es der eine Schuh nicht sein konnte, dann kam der weg.«
So hatte Deichmann früh die Schuhe, die er haben wollte, zu einem Preis, der günstiger war als der, den die ehemaligen Kollegen
in der Einkaufsvereinigung zahlen mussten. Seine Läden waren keine Boutiquen; ihnen hing der Ruf nach, Billigware zu bieten.
Aber er brauchte ja nicht 100 Prozent der Bevölkerung als Kunden – es reichte, wenn alle kamen, die preiswerte und brauchbare
Schuhe haben wollten. »Vom ersten Tag unseres Unternehmens an war es unsere Philosophie, Schuhe anzubieten, die gut und erschwinglich
sind«, heißt es in einer Deichmann-Werbung von 2003. Sehr stolz und mit ein wenig Pathos geht der Text weiter: »Obwohl alles
teurer wird, ist unser Durchschnittspreis heute genau wie 1963.« Damals seien es 40 D-Mark gewesen, 40 Jahre später 20 Euro.
Noch heute scheint sich Deichmann etwas zu wundern über die Dimension, die sein Geschäft angenommen hat, und die Möglichkeiten,
die damit verbunden sind: »Unsere Firma ist stetig und schnell gewachsen. Sodass wir über ein eigenes Einkaufspotenzial verfügten.
Über Mengen, die den Fabrikanten in die Lage versetzten, rationeller zu fabrizieren. Es gibt einen Herrenschuh, den haben
wir 500 000-mal verkauft. Ein einziges Modell. Die Tendenz dazu hat schon früh angefangen.«
Deichmann ist dem Prinzip, dass es die Masse machen muss, bis heute treu geblieben; auch wenn mittlerweile Schuhmarken wie
Gallus und Elefanten zum Unternehmen gehören |171| . Sohn Heinrich, der seit einigen Jahren die Geschäfte führt, sieht in den Rechten an
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