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Gründergeschichten

Titel: Gründergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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Wohlstand steigen wird – und wir ein wenig abgeben. »Damit geschieht doch keinem Unrecht. Dass wir es in |183| dem jetzigen Zustand nicht durchhalten können gegenüber der heranwachsenden Konkurrenz in Asien, das sollte jedem klar sein.«
    Deichmann sieht sich somit in Indien oder China nicht als Ausbeuter billiger Arbeitskraft, sondern als eine Art Entwicklungshelfer.
     Daher hat es ihn umso härter getroffen, als ihm 2001 in einem Fernsehbericht vorgehalten wurde, er lasse unter erbärmlichen
     Bedingungen in Indien produzieren und gefährde die Gesundheit der Arbeiter ebenso wie die Umwelt. Als der Bericht gesendet
     wurde, lag er gerade in Davos im Krankenhaus, am nächsten Tag sollte er an einem Leistenbruch operiert werden. Der Bericht
     war für ihn ein Schock. »Das war schon schlimm.« Manches an der Darstellung war falsch, die Montage der Zitate erregt den
     alten Herrn noch heute. Am Ende blieb kein unmittelbarer Vorwurf an Deichmann hängen; es handelte sich um Verfehlungen des
     Zulieferers eines Zulieferers. Deichmann berichtet, wie intensiv sich seine Firma um Kontrolle bemüht. Aber es ist ein globales
     Geschäft. Leder wird über die Kontinente transportiert, irgendwo verarbeitet, dann wieder transportiert, dann werden Schuhe
     daraus. Am Ende stehen sie im Laden – und bei allen Bemühungen kann niemand dafür garantieren, dass in jedem Fall und auf
     jeder Stufe der Produktion die geforderten Mindeststandards eingehalten wurden. »Wir verpflichten unsere Fabrikanten. Das
     gilt im Grunde genommen auch für die Zulieferer«, sagt Deichmann.
    Aber auch: »Wir kaufen Schuhe, wir kaufen nicht die Leder. Die Lederfabrik sehen wir ja gar nicht. Der Vertragspartner ist
     für mich der Schuhfabrikant.«
    Vor zehn Jahren hielt Heinz-Horst Deichmann an der israelischen |184| Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva, die er finanziell unterstützt, eine Rede zur Errichtung des »Dr.-Deichmann-Lehrstuhls
     für Business Ethik«. Er ließ – mit der Bitte um Diskretion – die Zuhörer wissen, dass ihn Betriebs- und Volkswirtschaft niemals
     interessiert hätten und er sich auch nie damit befasst habe. »Ich bin da ahnungslos und völlig inkompetent.« Es versetze ihn
     in einen »Zustand selbstkritischer Verlegenheit«, wenn sein Name so mit den Themen Wirtschaft und Gutes tun verknüpft werde
     wie bei der Namensgebung für den Lehrstuhl. »Wirtschaftsethik«, rief Deichmann aus. »Welch eine fast surreale Verbindung disparater
     Sphären auf engstem Raum.« Tatsächlich fügt sich auch im Deichmann-Reich die Welt nicht immer nach christlichen Werten. Allein
     in Deutschland hat Deichmann rund 13 000 Mitarbeiter, im Ausland noch einmal soviel. Und bei den Zulieferern in der Dritten
     Welt ist ein Vielfaches davon beschäftigt. Deichmann agiert in umkämpften Märkten und mit aggressiven Preisen. Es geht um
     viele Menschen, viel Geld und auch um Macht. Natürlich gibt es da Konflikte und Fehler, Kompromisse und Zwänge.
    In seinem Chefbüro sitzt Deichmann auf einem Sofa, das schon mehrfach neu bezogen wurde, um die Kosten für ein neues zu sparen.
     Ein Wandteppich, der einem Bild Chagalls nachempfunden ist, zeigt Moses mit den Gesetzestafeln. Der eher zierliche Mann wiederholt,
     wie er sich selbst sieht: »Als Christ und Unternehmer. Das sind nicht zwei Menschen, sondern eine einzige Person.«
    Wenn Deichmann bei gesellschaftlichen Anlässen auf die mächtigsten Manager der deutschen Wirtschaft trifft, ist er nicht immer
     begeistert. Ihn stört es, wenn Menschen Macht |185| und Geld als Selbstzweck sehen. Intrigen, Postenschacher und die Eitelkeit mancher Konzernlenker sind ihm fremd. Gern erzählt
     er, wie er 1994 den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl nach Israel begleitete. Yitzhak Rabin, Israels später ermordeter Regierungschef,
     sagte auf Kohls Frage, womit der Friedensprozess unterstützt werden könne: »Das Einzige, was fehlt, ist Arbeit für die Palästinenser.«
     Die Reaktion der Wirtschaftskapitäne in Kohls Gefolge war eher verhalten. Aber Deichmann begann daraufhin, Jahr für Jahr einige
     Hunderttausend Paar Schuhe aus der Region zu importieren. Dazu arbeitete er mit einer palästinensischen Schuhfabrik und einem
     israelischen Kibbuz zusammen. Auch wenn die Kooperation die Wirren des Nahost-Konflikts nicht dauerhaft überstanden hat, zeigt
     sie Deichmanns Verständnis vom Nutzen wirtschaftlicher Macht.
    Zweifel an seiner Ernsthaftigkeit, Geschäft und Werte zu vereinbaren,

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