Gründergeschichten
schnell, dass er das Design für den
Wagen entwerfen sollte.
|221| Die neue Partnerschaft, aus der bald schon eine Freundschaft wurde, begann mit »fürchterlichen Reibereien«, wie Will sagt.
Manchmal habe es tagelang gekracht, weil die Vorstellungen der angehenden Ingenieure auf der einen und die des angehenden
Designers auf der anderen Seite einfach nicht zusammenpassen wollten. »Wir wünschten uns irgendein Häuschen für unsere Technikträume,
und Schweizer wollte das perfekte Design. Er hatte keinen blassen Schimmer von fahrdynamischen Prozessen und entwarf uns Radhäuser,
die fantastisch aussahen, aber in denen leider kein Rad ein- und ausfedern konnte. Und alles, was wir uns unter einer schönen
Form vorstellen konnten, wäre wohl bloß eine hässliche Kiste geworden.« Die Zeit und die Nerven zu investieren, sagen Funke
und Will, habe sich wirklich gelohnt. Von ihrer Erfahrung zehren sie bis heute. Zwar ist Schweizer nach wie vor ihr Haus-
und Hof-Gestalter, aber »wenn ein neuer Designer mit uns arbeitet, von einem unserer Kunden, musst Du immer aufpassen: einerseits
Verständnis für seine Ideen aufbringen und sie ernst nehmen, andererseits wissen, dass er womöglich nicht mal ahnt, dass sein
schöner Entwurf völlig fahruntauglich ist.«
Irgendwann war es soweit: Es gab den Aluminiumrahmen, es gab einen Karosserieaufbau, es gab ein Design. Nur, es gab kein Auto.
»Wir wollten aber natürlich eins bauen, das ist ja klar«, sagt Will. Und zwar eines, das richtig schnell fahren kann. Für
die Diplomarbeit war das nicht nötig – aber für das Leben nach dem Studium. Daran, mit ihrem Roadster in Serie zu gehen, dachten
sie anfangs noch nicht. Für Funke war nur klar: »Wir wollten nicht bei einem Großkonzern 35 Stunden pro Woche Zahnräder entwickeln.«
Mit dem Prototypen hatten |222| sie anderes im Sinn: Werbung zu machen für ihre eigentliche Geschäftsidee. Denn sie hatten schon während des Studiums beschlossen,
eine Firma zu gründen, um in eine der letzten Nischen auf dem gesättigten Automobilmarkt vorzustoßen: werbeträchtige, aufsehenerregende
Kleinserien zu entwerfen, durchaus auch für große Automobilhersteller. »Wir hatten uns überlegt: Die Prototypenbauer, die
gibt es. Die Zulieferfirmen – gibt es. Die großen Hersteller mit ihren großen Linien, die gibt es sowieso. Nur, dazwischen,
da gibt es kaum etwas.«
Er erläutert die Idee: »Für namhafte Hersteller, die zum Beispiel für Familienwagen stehen, kann es durchaus interessant sein,
eine Kleinserie entwerfen zu lassen, etwa für ein besonders sportliches oder luxuriöses oder originelles Auto. Der Maybach
ist ja auch so eine Kleinserie oder der Bugatti bei VW. Man produziert damit Imageträger und macht auf sich aufmerksam. Nur
ist es für die Magnaten im Automobilbau in der Regel eine ökonomische Horrorvorstellung, für eine werbeträchtige Kleinserie
ihre gesamte Maschinerie in Gang zu setzen, die sich ja nur bei großen Mengen amortisiert: die Entwickler und die Designer,
der Einkauf, die Produktionsplanung, eine Fabrik. Der Aufwand wäre viel zu hoch und die Herstellung zu teuer im Verhältnis
zum gewünschten Ergebnis – und da setzen wir an. Da picken wir uns die Punkte heraus, die uns interessant machen als Firma,
bieten unsere schlanken Strukturen an, die es uns ermöglichen, schnell zu reagieren und kleine Stückzahlen zu vernünftigen
Kosten zu entwerfen und herzustellen.«
Darum musste der Prototyp her. Nebenbei scheint es enormen Spaß gemacht haben, das Ding zu bauen. Es fing aber |223| auch gut an: mit Schnorren auf hohem Niveau. Die jungen Ingenieure schrieben die Vorstände von 36 Firmen an; vom Aluminiumspezialisten
bis hin zum damaligen VW-Chef Ferdinand Piëch war alles dabei, was in der Automobil- und Zulieferindustrie Rang und Namen
hatte – der Sitzhersteller Recaro etwa, der Instrumentenbauer VDO, der Reifen-Riese Bridgestone. Im Brief steckten die Entwürfe,
eine sechsseitige Stückliste mit allem, was es zum Autobauen brauchte, und die Bitte, Teile, Werkzeuge oder Dienstleistungen
davon zu spenden, von Schweißarbeiten für den Alu-Rahmen über Räder, Sitze oder Fräsarbeiten bis hin zum leistungsstarken
Motor.
Die Resonanz darauf hatte die beiden schier überwältigt – 32 Firmen antworteten und luden die Ingenieure zu sich ein. Im alten
roten Golf Diesel von Herbert Funke gingen die Männer also auf »Roadshow«, sie durchkreuzten
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