Gründergeschichten
Projektleiter.
Die 45 Monteure sind Handwerker aus der Region. Nicht nur Kfz-Mechaniker bewarben sich seit 1999 bei dem neuen Kleinserienhersteller,
sondern es wurden unter anderem auch Tischler und Kunststoffbauer eingestellt. Dabei haben die Unternehmer die Erfahrung gemacht,
dass es nicht immer auf die perfekte Bewerbungsmappe ankommt, sondern darauf, wie ein Handwerker tickt, redet, anpackt – also
sich im Alltag in die Abläufe hineindenken und reagieren kann. »Wir haben einen Mitarbeiter, der hat uns damals lauter Fotos
von Kronleuchtern in die Bewerbung gelegt. Die hat er mal irgendwo hergestellt. Kronleuchter! Wir fanden das skurril und dachten
erst, der muss sich wohl in der Adresse geirrt haben. Wir haben ihn trotzdem eingeladen, und er ist heute noch bei uns.«
|229| Persönlichkeit zählt und Einsatz. Das lehrte sie die Erfahrung, aber nicht nur. »Wir haben uns durchaus auch Wissen über Personalführung
angelesen und einschlägige Seminare besucht.« Die Löhne und Gehälter gibt Will unumwunden zu, fielen nicht üppig aus. Sie
lägen leicht über Tarif, der nicht hoch sei. Da kommt es immer wieder vor, dass sie gerne jemanden einstellen würden, der
ihnen dann aber abspringt: Mancher arbeitslos gemeldete Bewerber rechnet sich offenbar aus, dass er ohne Job, aber mit Geld
vom Staat genug zum Leben hat. Will verblüfft das immer wieder. »Es ist schon eigenartig, da bietet man einer Frau, die 50
und somit schwer vermittelbar ist, eine feste Stelle an, und sie sagt: Ach nee, die 25 Kilometer jeden Tag von Dresden oder
Meißen zur Arbeit nach Großenhain sind mir zu weit.«
Beide Chefs streben an, sobald wie möglich Lehrlinge auszubilden. Theoretisch könnten sie das jetzt schon, die formalen Anforderungen
wären erfüllt. »Aber ich möchte die nicht bloß hier durchschleusen und als billige Arbeitskraft gebrauchen, sondern ich will,
dass die hier richtig viel lernen. Ich habe da einen hohen Anspruch, weil ich selbst so gute Erfahrungen während meiner Ausbildung
machte«, sagt Will. »Momentan fehlen uns aber Zeit und Kapazitäten, das qualitativ befriedigend zu machen. Aber lange wird
es nicht mehr dauern.«
Obwohl die neue Firma in einer Region mit hoher Arbeitslosigkeit eigentlich wie gerufen kam, wurden die Neulinge zunächst
kein bisschen als Heilsbringer gesehen. Man schrieb das Jahr 1999, und in den zehn Jahren seit der Wende waren schon zu viele
Glücksritter gekommen und verschwunden, hatten Hoffnungen enttäuscht und Steuergelder abgegriffen.
|230| Die Gründer
Name:
Herbert Funke und Philipp Will
Geburtsjahre:
1967 (Funke) / 1972 (Will)
Geburtsort:
Hilchenbach (Funke) / Bonn (Will)
Ausbildung /Abschluss:
Bohrwerksdreher und Kfz-Mechaniker, seit 1997 Diplom-Ingenieure für Maschinenbau, Fachrichtung Fahrzeugbau
Heutige Position in der Firma:
Eigentümer und Vorstände
Das Unternehmen
Firmenname:
Funke &Will AG
Sitz:
Großenhain (Sachsen)
Gründungsjahr:
1999
Was macht die Firma?
stellt den Sportwagen »Yes« her, entwickelt und baut Kleinserien für die Automobilbranche
Mitarbeiter
:
80
Umsatz:
10 Millionen Euro
|231|
(v. l.:)
Herbert Funke, Philipp Will
|232| »Wir waren darum in den Augen vieler erst einmal per se die Subventionsbetrüger«, sagt Will. Zudem war die unbeschwerte, flapsige
Art der Rheinländer den Einheimischen zunächst suspekt. Und die Neuankömmlinge ihrerseits erschraken über die Schroffheit,
die mancher in der Kleinstadt an den Tag legte. Vor einem Laden wurde Will einmal angeschnauzt. Er, der Scheißwessi, solle
doch dorthin zurückgehen, wo er hergekommen sei. Der Anlass: Will hatte mit seinem Mietwagen (mit West-Kennzeichen) nicht
schnell genug die Zufahrt zum Parkplatz freigegeben.
Das Blatt hat sich gewendet, natürlich. »So nach drei Jahren, da sagten die Leute: Ach, sieh an, die sind ja immer noch da.«
Man begegnet ihnen freundlich, bestaunt den Roadster, mit dem sie beim Bäcker vorfahren. Zwar pendelt Will jedes Wochenende
zu Frau und Kind in Nordrhein-Westfalen, wo die Firma noch ihren Zweitsitz behalten hat. Aber Herbert Funke zum Beispiel hat
seine Frau in Sachsen kennen gelernt, mit ihr ein Haus gebaut und zwei Töchter bekommen. Und die meisten jungen Entwicklungsingenieure
haben ihr Quartier in der Landeshauptstadt Dresden genommen, wo schicke und bezahlbare sanierte Altbauwohnungen, Kultur und
das großstädtische Nachtleben locken.
Wirklich schwierig gestaltete sich das
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