Grüne Magie
getroffen werden.«
»Machen Sie sich sofort ans Werk!«
Comandore stand auf und warf Hein Huss noch einen kurzen Blick zu, bevor er das Zimmer verließ. Huss wartete und rieb sich mit dicken Fingern das Kinn. Lord Faide musterte ihn kühl. »Haben Sie noch etwas zu sagen?«
Huss brummte und stemmte sich in die Höhe. »Ich weiß nicht so recht. Ich bin ziemlich verwirrt. Alle Möglichkeiten, die die Zukunft bereithält, machen mir Sorgen. Vielleicht ist selbst die beste nicht gut genug für uns.«
Lord Faide sah Hein Huss überrascht an. Noch niemals zuvor hatte der Oberste Unglücksbringer so pessimistisch und düster klingende Worte benutzt. »Sprechen Sie frei heraus! Ich höre Ihnen aufmerksam zu.«
Und Hein Huss grollte: »Wenn ich mir in irgendeinem Punkt ganz sicher wäre, würde ich nicht zögern, mich an Sie zu wenden. Doch derzeit zweifle ich nur.
Ich fürchte, wir können uns nicht länger auf Logik und geschickte Unheilskunst verlassen. Unsere Ahnen waren Wundermacher, Magier. Sie verdrängten das Erste Volk in die Wälder. Und um uns zu schlagen, haben sich die Eingeborenen die Methoden unserer Vorfahren zu eigen gemacht: Versuche aufs Geratewohl, zielloser Empirismus. Ja, ich zweifle. Vielleicht bleibt uns nichts anderes übrig, als uns von der Vernunft abzuwenden und uns wieder auf den Mystizismus der Ahnen zu besinnen.«
Lord Faide zuckte mit den Schultern. »Wenn es Isak Comandore schafft, das Erste Volk zu behexen, so dürfte das nicht notwendig werden.«
»Die Welt verändert sich«, sagte Hein Huss dumpf. »Und von einem bin ich überzeugt: Die alten Zeiten, in denen es auf Geschick und mit aller Sorgfalt erworbenes Wissen ankommt, sind vorbei. Die Zukunft steht Leuten offen, die klug sind und deren Vorstellungskraft nicht von der Disziplin unserer Zunft beeinträchtigt wird. Der unorthodoxe Sam Salazar könnte einmal fähiger sein als ich. Ja, die Welt verändert sich.«
Lord Faide offenbarte das für ihn typische schiefe und verzerrte Lächeln. »Wenn jener Tag kommt, ernenne ich Sam Salazar zum Obersten Unheilsbringer und verleihe ihm gleichzeitig den Titel des Lords von Faidefeste. Und wir beide ziehen uns dann in eine Hütte im Hügelland zurück.«
Hein Huss hob die Arme, ließ sie schlaff fallen und ging.
IX
Zwei Tage später begegnete Lord Faide dem Unglücksbringer Isak Comandore und erkundigte sich nach den Fortschritten seiner Vorbereitungen. Comandore wich den Fragen mit allgemeinen Bemerkungen aus. Nach zwei weiteren Tagen wandte sich der Lord erneut an ihn, und diesmal bestand er auf genaueren Angaben. Widerstrebend führte Comandore ihn in sein Arbeitszimmer. Ein Dutzend Kabbalisten, Thaumaturgen und Novizen arbeiteten dort an einem großen Tisch und bauten ein Modell der Eingeborenen-Siedlung im Dichtwald.
»Am Ufer des Sees«, erklärte der Unglücksbringer, »stelle ich eine große Anzahl von Simulacren auf, die alle mit persönlichen Dingen des Ersten Volkes versehen sind. Und wenn es soweit ist, nehme ich die Behexung vor.«
»Gut. Enttäuschen Sie mich nicht.« Lord Faide verließ das Arbeitszimmer, begab sich in den höchsten Turm der Feste und von dort aus in die Kuppel, in der die alte Waffe Höllenmaul installiert war. »Jambart! Wo sind Sie?«
Der Waffenwart, ein kleiner und rotnasiger Mann mit dickem Bauch und bläulichen Wangen, eilte herbei. »Mein Lord?«
»Ich bin gekommen, um Höllenmaul zu inspizieren. Ist die Waffe zum sofortigen Einsatz bereit?«
»Selbstverständlich, mein Lord. Ich habe sie geölt, geschmiert, poliert, abgebürstet und entstaubt. Alle Teile sind völlig sauber und glatt.«
Mit gerunzelter Stirn trat Lord Faide an das Geschütz heran und betrachtete es eingehend – ein schwerer Zylinder, der knapp zweihundert Zentimeter durchmaß und fast vier Meter lang war. An der Außenfläche zeigten sich kleine Halbkugeln, die untereinander mit Röhren aus glänzendem Kupfer verbunden waren. Ganz offensichtlich war Jambart sehr fleißig gewesen. Nirgends zeigte sich auch nur eine Spur von Rostoder Schmutz. Überall schimmerte reines Metall. Eine dicke Metallplatte bedeckte die Mündung, und darauf hatte der Waffenwart eine Leinenplane gespannt. Der Ring, auf dem die große Waffe gedreht werden konnte, war gut geschmiert.
Lord Faide sah in alle vier Himmelsrichtungen. Im Süden erstreckte sich das Faidetal. Im Osten lag das Hügelland. Im Norden und Westen zeigten sich die dunklen Linien des Dichtwaldes.
Er wandte sich wieder
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