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Grüne Magie

Grüne Magie

Titel: Grüne Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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zuvor erfreut hatten. Es fiel ihm schwer, die Aufmerksamkeit vom Ufer abzuwenden, und er beobachtete die einkammigen Kinder, seine früheren Spielkameraden, aus einer neuen Perspektive: Sie erschienen ihm plötzlich fremd, wie Wesen, die nichts mit ihm gemeinsam hatten. Und die Einkammigen wiederum brachten den größeren und massigeren Wasserkindern Argwohn entgegen und schwammen erschrocken fort, wenn sich ihnen Ern oder einer der anderen näherte.
    Ern wurde immer niedergeschlagener und mürrischer. Die alten Freunde existierten nicht mehr, und es gab keinen Ersatz für sie. Noch zweimal schwammen die Anderen durch das seichte Wasser der Watten, aber alle zweikammigen Kinder, unter ihnen auch Ern, versteckten sich unter Riedblättern. Daraufhin schien die Fremden das Interesse zu verlieren, und eine Zeitlang verlief das Leben in den gewohnten Bahnen. Doch es deuteten sich Veränderungen an. Das Ufer weckte immer mehr Faszination: Was befand sich jenseits der Sandbänke und kleinen Inseln, zwischen ihnen und der Finsteren Wand? Wo lebten die Anderen, in was für einer Wunderwelt? Ern entschloß sich dazu, durch die größte Sumpftiefe zu schwimmen, und er unterdrückte seine Furcht vor dem Oger und hielt die ganze Zeit über aufmerksam Ausschau. Zu beiden Seiten ragten Inseln aus dem Wasser, und farbloses Gras wuchs auf ihnen. Hier und dort sah er schwarze Krüppelbäume oder Ansammlungen von Dornenbüschen: Sie waren so zerbrechlich, daß eine Berührung genügte, um die Zweige zu Boden fallen zu lassen. Kurz darauf verbreiterte sich der Priel und führte in eine kleine Bucht, deren Wasser die Gräue des Himmels reflektierte. Ern durchquerte sie und gelangte in einen Kanal aus schwarzem Schleim.
    Weiter wagte er sich nicht vor. Wenn ihm jemand oder etwas gefolgt war, saß er in der Falle. Und in diesem Augenblick sah er ein sonderbares gelbes Wesen, das über ihm schwebte. Hunderte von Schuppen klirrten. Das Geschöpf erspähte Ern und stimmte ein lautes Geheul an. Etwas weiter entfernt erklangen andere Stimmen – die von Anderen. Ern wirbelte herum und schwamm den Weg zurück, den er gekommen war, während der Klirrvogel über ihm dahinsegelte. Er bekam es mit der Angst zu tun, tauchte und schwamm, so rasch er konnte. Nach einiger Zeit wandte er sich zur Seite und kehrte vorsichtig an die Oberfläche zurück.
    Der gelbe Vogel kreiste über der Stelle, an der Ern getaucht war, und aus seinem weithin hallenden Heulen war ein dumpfes, enttäuschtes Gurren geworden.
    Erleichtert wandte sich Ern wieder den Watten zu. In einem Punkt hatte er nun keine Zweifel mehr: Wenn er jemals das Land aufsuchen wollte, mußte er lernen zu gehen. Erns Artgenossen, unter ihnen selbst die Zweikammigen, beobachteten ihn verwirrt, als er sich durch den Schlamm auf die nächste Insel schob und inmitten des hohen Grases seine Beine ausprobierte. Es klappte recht gut, und es dauerte nicht lange, bis sich Ern ohne Schwierigkeiten auf dem festen Untergrund bewegen konnte. Allerdings wagte er es noch nicht, das Land jenseits der Inseln aufzusuchen. Statt dessen schwamm er an der Küste entlang, zwischen der Sturmgrenze rechts und dem Ufer links von ihm. Er schwamm und schwamm, weiter als jemals zuvor.
    Der Sturmwall veränderte sich nicht: ein Vorhang aus Regen und dichtem Dunst, in dem ständig Blitze aufflammten. Mit der Finsteren Wand verhielt es sich ähnlich: Am Horizont bestand sie aus lichtloser Schwärze, und nach oben hin erhellte sie sich allmählich, bis sie mit dem Grau des Firmaments verschmolz. Zwischen den beiden Barrieren schien sich das schmale Land bis in endlose Ferne zu erstrecken. Ern sah andere Sümpfe und Riedinseln, Sandbänke und Ansammlungen von scharfkantigen Felsen. Schließlich wich die Küste zurück, in Richtung der Finsteren Wand, und dadurch entstand eine trichterförmige Bucht, in die sich die kühlen Wasser eines Flusses ergossen. Ern näherte sich dem Ufer, schob sich auf den Kies und richtete sich auf seinen nach wie vor zitternden Beinen auf. Jenseits der Bucht folgten weitere Sümpfe und Inseln, bis hin zum Horizont und vermutlich auch darüber hinaus. Nirgends erblickte er ein lebendes Wesen. Allein stand Ern auf dem Kiesstreifen, eine graue und massige Gestalt, die auf noch immer unsicheren Beinen schwankte und sich neugierig umsah. Das Wasser der Bucht war sehr kalt, die Strömung stark. Ern entschied, seine Reise nicht weiter fortzusetzen. Er glitt wieder ins Meer und machte sich auf den

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