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Grüne Magie

Grüne Magie

Titel: Grüne Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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dahinsprühen. Das andere und weit entfernte Ufer des Flusses schien ebenso beschaffen zu sein. Das schmale Land erstreckte sich weiter, wie endlos zwischen den Barrieren des Sturms und der Dunkelheit.
    Ern machte kehrt und schwamm zu den Watten zurück. Er war nicht ganz mit seiner Entdeckungsreise zufrieden. Er hatte Wunder gesehen, von denen seine Artgenossen nichts ahnten, doch was lehrten sie ihn? Nichts. Nach wie vor gab es keine Antworten auf seine Fragen.
    Es kam zu Veränderungen – sie ließen sich inzwischen nicht mehr übersehen. Die ganze Generation Erns lebte an der Oberfläche und atmete Luft. In den anderen Wasserkindern schien sich nun zumindest ein Teil der Neugier zu regen, die Ern nicht zur Ruhe kommen ließ, und immer wieder blickten sie in Richtung Land. Darüber hinaus kam es zu einer weitergehenden geschlechtlichen Differenzierung. Gelegentlich erfolgten sexuelle Spielereien, und die Zweikammigen mit ihren unterentwickelten Organen wandten sich voller Abscheu von solchen Dingen ab. Es bildeten sich sowohl soziale als auch physische Unterschiede heraus, und Spott und Herabwürdigungen wurden immer häufiger. Gelegentlich kam es auch zu regelrechten Kämpfen, die jedoch nie lange dauerten. Ern glaubte, daß er zu den Zweikammigen gehörte. Aber als er einmal seinen Kopf untersuchte, mußte er die Feststellung machen, daß er nur kleine Buckel und Mulden aufwies – ein Umstand, der ihn in Verlegenheit brachte.
    Zwar herrschte allgemein das Gefühl einer drohenden Gefahr, doch das Erscheinen der Anderen überraschte die Wasserkinder trotzdem.
    Insgesamt zweihundert wateten heran, schwammen durch die Sumpftiefen und riegelten die Watten ab. Ern und einige weitere krochen sofort auf eine Insel und versteckten sich im hohen Gras. Ihre Artgenossen jedoch sausten aufgeregt umher. Die Anderen riefen laut und schlugen mit den Händen aufs Wasser. Auf diese Weise gelang es ihnen, die Kinder durch den Priel und auf den getrockneten Schlamm zu treiben. Dort machten sie sich daran, sie zu untersuchen und eine Auswahl zu treffen: Die größten Exemplare wurden von den kleineren getrennt, die daraufhin in die Watten zurückkehren durften. Und auf die zweikammigen Wasserkinder reagierten die Anderen mit begeisterten Rufen.
    Bald darauf war die Auslese beendet. Man teilte die gefangenen Wasserkinder in einzelne Gruppen ein und schickte sie über den Strand. Diejenigen, die noch zu schwach waren, um selbst gehen zu können, wurden getragen.
    Der ganze Vorgang faszinierte Ern, und er sah aus sicherer Entfernung zu. Als die Anderen und die Wasserkinder fort waren, verließ er das Meer, begab sich an Land und sah seinen Artgenossen nach. Was sollte er jetzt tun? In die Watten zurückkehren? Das alte Leben erschien ihm langweilig und uninteressant. Andererseits jedoch brachte er nicht den Mut auf, sich den Anderen zu zeigen. Es handelte sich nur um einkammige Geschöpfe, um grobe Wesen, die zu unberechenbarem Verhalten neigten. Was sonst? Ern drehte den Kopf, und sein Blick wechselte zwischen Wasser und Land hin und her. Schließlich verabschiedete er sich innerlich von seiner Jugend und nahm sich nicht ohne eine gewisse Melancholie vor, fortan auf dem Land zu leben.
    Er ging einige Schritte weit in die Richtung, in der die anderen Wasserkinder verschwunden waren, und dann blieb er stehen und lauschte.
    Nichts, nur Stille.
    Vorsichtig wanderte er weiter, jederzeit dazu bereit, ins Dickicht zu springen und sich dort zu verstecken. Der Untergrund wurde härter und trockener, und das hohe Riedgras wich schwarzen und duftenden Zykadeen. Weiter oben neigten sich dünne, zerbrechlich aussehende Weidenruten hin und her; ihre Blätter waren mit Gas erfüllt und hatten somit genug Auftrieb, um nicht zu Boden zu sinken. Ern folgte dem Verlauf des Pfades, und er bewegte sich vorsichtig und behutsam, blieb immer häufiger stehen, um zu horchen. Was mochte geschehen, wenn er den Anderen begegnete? Würden sie ihn töten? Ern zögerte und blickte sogar in die Richtung zurück, aus der er gekommen war. Er hatte die Entscheidung bereits getroffen. Und so ging er weiter.
    Ein Geräusch, das seinen Ursprung nicht allzuweit vor ihm hatte. Sofort wandte sich Ern von dem Weg ab und verbarg sich hinter einem kleinen Hügel.
    Niemand kam. Nach einer Weile setzte sich Ern wieder in Bewegung und schlich an den Zykadeen vorbei, bis er durch die schwarzen Palmwedel das Dorf der Anderen sah: ein Wunder, geschaffen von genialem Geschick! In

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