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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Flagg
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Eiersäge«, und deshalb wolle keiner der Männer mit ihr zusammenarbeiten.
    Am nächsten Tag ging Evelyn einkaufen, erstand ein Bettjäckchen für Big Momma, und während sie in der Pioneer Cafeteria zu Mittag aß, kam ihr unvermittelt ein Gedanke: Was ist eine Eiersäge?
    Diesen Ausdruck benutzte Ed sehr oft. Manchmal sagte er auch: »Sie hat’s auf meine Eier abgesehen. Auf die musste ich aufpassen wie aufs liebe Leben.«
    Warum hatte er solche Angst, jemand könnte sich an seinen Eiern vergreifen? Was waren die schon? Nur kleine Beutel voller Spermien. Aber da die Männer so ein Aufhebens drum machten, sollte man meinen, diese Dinger wären das Wichtigste auf der Welt. Großer Gott, Ed wäre fast gestorben, als eins von den Eiern seines Sohnes nicht richtig heruntergehangen hatte. Der Arzt betonte, das würde die Zeugungsfähigkeit des Jungen nicht beeinträchtigen. Aber Ed hatte sich aufgeführt, als wäre das eine Tragödie, und ihn zu einem Psychiater schicken wollen. Damit der Junge nicht glaubte, er wäre nur ein halber Mann … Wie sie sich entsann, hatte sie damals gedacht: So was Dummes – meine Brüste haben sich nie richtig entwickelt, und kein Mensch hat mich zum Arzt geschickt.
    Aber Ed hatte seinen Willen durchgesetzt und behauptet, sie verstehe nicht, was es heiße, ein Mann zu sein. Und er bekam sogar einen Wutanfall, als sie vorschlug, den Hauskater Valentin, der die reinrassige Siamkatze von gegenüber geschwängert hatte, kastrieren zu lassen. »Wenn du ihm die Eier abschneidest, kannst du ihn gleich einschläfern.«
    Zweifellos hegte er etwas merkwürdige Ansichten, was Eier betraf.
    Sie erinnerte sich, wie er jene Bürokollegin einmal gepriesen hatte, weil sie so mutig gewesen war, sich gegen den Boss zu behaupten. Er prahlte geradezu von ihr und fügte hinzu: »Man könnte fast glauben, sie hätte Eier.«
    Was hatte die Frau mit Eds Anatomie zu tun? Er sagte nicht: »Mann, die hat aber Eierstöcke!« Nein, er sprach eindeutig von Eiern. Eierstöcke enthalten Eier, überlegte Evelyn. Sind die nicht genauso wichtig wie Spermen?
    Und wann hatte die Frau ihre Grenze überschritten und zu viel Eierpotenz gezeigt?
    Die Ärmste … Ihr Leben lang würde sie mit imaginären Eiern jonglieren müssen, wenn sie Karriere machen wollte. Auf die richtige Balance kam es an. Und was ist mit der Größe?, fragte sich Evelyn. Die hatte Ed noch nie erwähnt. Offenbar spielte sie bei Eiern keine Rolle, nur bei jenem anderen Ding. Nur die Tatsache zählte, dass man Eier besaß. Und plötzlich wurde ihr diese simple reine Wahrheit voll bewusst. Es kam ihr so vor, als hätte jemand mit einem Bleistift eine Linie über ihr Rückgrat gezogen und einen I-Punkt auf ihren Kopf gesetzt. Kerzengerade richtete sie sich in ihrem Sessel auf – überwältigt, weil sie, Evelyn Couch aus Birmingham, eine solche Erkenntnis gewann. So musste Edison zumute gewesen sein, nachdem er die Elektrizität entdeckt hatte. Natürlich! Der Besitz von Eiern war das Allerwichtigste auf der Welt. Kein Wunder, dass sie sich immer wie ein Auto ohne Hupe im dichtesten Straßenverkehr gefühlt hatte.
    Es stimmte. Diese beiden kleinen Eier öffneten alle Türen. Sie waren die Kreditkarten, die sie brauchte, um voranzukommen, um gehört und ernst genommen zu werden. Kein Wunder, dass Ed sich einen Sohn gewünscht hatte.
    Und dann fiel ihr noch eine Wahrheit ein – eine traurige, unumstößliche Wahrheit. Sie besaß keine Eier und würde nie welche haben. Also war sie dem Untergang geweiht. Für immer eierlos. Es sei denn, die Eier im engsten Familienkreis zählten. Da gab es vier – die von Ed und Tommy … Nein, Moment mal, sechs, wenn man den Kater mitrechnete. Und – wenn Ed sie so sehr liebte, könnte er ihr doch ein Ei abgeben. Eine Ei-Transplantation – genau. Oder vielleicht würde sie von einem anonymen Spender sogar zwei Eier kriegen. Ja, sie würde sich die Eier eines Toten kaufen, in eine Schachtel legen und zu wichtigen Besprechungen mitnehmen, um sie auf den Tisch zu knallen und ihren Willen durchzusetzen. Oder sollte sie gleich vier Stück kaufen?
    Kein Wunder, dass das Christentum so erfolgreich war. Wenn man an Jesus und die Apostel dachte und Johannes den Täufer dazuzählte – vierzehn Paar Eier, achtundzwanzig einzelne … Jetzt sah sie alles glasklar. Wie hatte sie die ganze Zeit so blind sein können?
    Ja, bei Gott, nun hatte sie’s geschafft. Sie war dem Geheimnis auf die Spur gekommen, das die Frauen jahrhundertelang

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