Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
erzählt. Nie habe ich eine stolzere Mutter gesehen. Im Café wurden das ganze Team, die Band und die Cheerleaders zu Hamburgern eingeladen.
Meine andere Hälfte hat keinen Sinn für Mode. Neulich kam ich heim, todschick mit meinem neuen Haarnetz, das ich in Opals Friseursalon gekauft hatte, und er meinte, meine Frisur sehe aus wie ein Ziegeneuter mit einem Fliegennetz drüber … Am Hochzeitstag fuhr er mit mir nach Birmingham und führte mich in ein Spaghetti-Restaurant, obwohl er weiß, dass ich grade eine Diät mache, Männer! Mit ihnen kann man nicht leben und ohne sie auch nicht.
Übrigens, es tat uns allen sehr leid, als wir von Artis O. Peaveys Pech erfuhren.
Dot Weems
S LAGTOWN , A LABAMA
17. Oktober 1949
Artis O. Peavey wohnte bei seiner zweiten Frau, der ehemaligen Miss Madeline Poole, die einen erstklassigen Job als Hausmädchen hatte. Sie arbeitete für eine Familie in der exklusiven Highland Avenue und lebte mit ihrem Mann im Haus Nummer sechs an der Tin Top Alley, drüben an der Südseite der Stadt. Die Tin Top Alley bestand nur aus sechs Reihen von Holzhütten mit Blechdächern und ungepflasterten Höfen, wo Waschtröge, mit Blumen bepflanzt, das triste Grau der Holzwände milderten.
Die letzte Adresse der beiden lag nur wenige Schritte entfernt, dem alten Dienstbotenquartier hinter einem Haus, dessen Anschrift einfach Alley G, Nummer zwei lautete.
Artis fand die Umgebung sehr angenehm. Einen Block weiter befand sich der Magnolia Point, wo er vor den Läden herumhängen und die Ehemänner anderer Dienstmädchen besuchen konnte. An frühen Abenden, nach dem Essen (meistens verspeisten sie, was die Weißen übriggelassen hatten) saßen sie auf einer Veranda. Oft begann eine Familie zu singen, die anderen stimmten nacheinander ein. Es gab viel Abwechslung, denn die Wände waren so dünn, dass man die Radios oder Grammofone der Nachbarn hörte. Wenn Bessie Smith »I Ain’t Got Nobody« sang, tat sie der ganzen Tin Top Alley leid.
In dieser Gegend herrschte auch kein Mangel an anderen gesellschaftlichen Aktivitäten, und Artis wurde immer eingeladen. Er war der populärste Mann in der Gasse, bei Frauen und Männern gleichermaßen beliebt. Jeden Abend fand mindestens eine Barbecue-Party statt. Oder bei Schlechtwetter saß man unter dem gelben Licht auf einer Vorderveranda und genoss das Geräusch des Regens, der auf die Blechdächer trommelte.
An diesem Herbstnachmittag rekelte sich Artis auf der Veranda, beobachtete die dünne blaue Rauchsäule, die von seiner Zigarette aufstieg, und war glücklich, weil Joe Louis Weltmeister war und das Birmingham-Black-Barons-Baseballteam in diesem Jahr alle Spiele gewonnen hatte. Ein ausgemergelter, räudiger gelber Hund sprang auf der Gasse umher und suchte ein bisschen Futter. Er gehörte After John, einem von Artis’ Freunden, so genannt, weil er nach seinem Bruder John auf die Welt gekommen war. Schwanzwedelnd hüpfte der Hund die Verandastufen herauf, und sein Kopf wurde, so wie jeden Tag, getätschelt.
»Heute hab’ ich nichts für dich, alter Junge.«
Die Enttäuschung des gelben Hundes hielt sich in Grenzen. Er wanderte davon, auf der Suche nach einem Stück Maisbrot oder sogar Gemüseresten. Hier hatte die Wirtschaftskrise nie ein Ende gefunden, und die Hunde mussten ebenfalls mehr oder weniger darunter leiden – eher mehr.
Artis sah den Hundefängerwagen die Gasse herauffahren, und der Mann in der weißen Uniform stieg mit seinem Netz aus. Im Laderaum drängten sich bereits die unglücklichen kläffenden Tiere, die an diesem Nachmittag aufgegriffen worden waren.
Der Mann pfiff nach dem gelben Hund. »Komm her, mein Junge – komm schon …«
Der freundliche, arglose Köter lief zu ihm, und Sekunden später zappelte er im Netz, wurde über die Schulter des Fängers geworfen und zum Laster getragen. Artis verließ die Veranda, »He, Mister, der Hund gehört jemandem.«
Da blieb der Mann stehen. »Ist das Ihrer?«
»Nein, er gehört After John, also können Sie ihn nicht einfach wegschleppen.«
»Mir ist es egal, wem er gehört. Jedenfalls trägt er keine Hundemarke, und deshalb nehmen wir ihn mit.«
Ein zweiter Mann stieg aus dem Laster und blieb daneben stehen. Artis verlegte sich aufs Bitten, denn wie er wusste, gab es keine Möglichkeit, das Tier zurückzubekommen, sobald es sich in den Klauen der Stadtverwaltung befand – schon gar nicht, wenn der Besitzer ein Schwarzer war. »Bitte, Mister, erlauben Sie mir, After John zu
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