Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
natürlich sofort zu Idgie laufen und fragen, ob Stump sie aufs Sweetheart Banquet begleiten würde. Und Idgie hatte in seinem Namen hoch erfreut zugesagt.
Nun, als Gentleman war er zu der Überzeugung gelangt, ein Abend mit Peggy würde ihn schon nicht umbringen. Aber jetzt hegte er gewisse Zweifel.
Idgie eilte in die Küche zum Kühlschrank und gab Stump ein Bukett aus winzigen Rosen. »Da. Die habe ich heute aus dem Garten vom Threadgoode-Haus geholt. Bring sie ihr mit.«
Er verdrehte die Augen. »O Gott, Tante Idgie, warum gehst du nicht an meiner Stelle hin? Du hast doch das Ganze geplant.« Zu den Männern am Tisch gewandt, rief er: »He, Grady, willst du mich vertreten?«
Der Sheriff schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich könnte es. Aber Gladys würde mich ermorden, wenn sie mich mit einer jüngeren Frau erwischt. Davon weißt du noch nichts. Wart nur, bis du ein alter verheirateter Mann bist, mein Junge. Außerdem – ich bin nicht mehr der tolle Hecht, der ich mal war.«
»Falls du je einer warst«, warf Jack ein.
Sie lachten, und Stump stapfte zur Tür. »Also, dann verschwinde ich jetzt. Später sehen wir uns sicher noch.«
Jedes Jahr nach dem Bankett landeten die jungen Leute im Café, und dieser Abend bildete keine Ausnahme. Als Peggy eintrat, bildhübsch in ihrem weißen bestickten Kleid, die rosa Röschen an der Schulter, atmete Idgie auf. »Gott sei Dank, du bist okay. Ich habe Todesängste um dich ausgestanden.«
»Wieso, um alles in der Welt?«
»Hast du nicht von dem Mädchen in Birmingham gehört? Die regte sich letztes Jahr auf dem Sweetheard Banquet dermaßen auf, dass sie plötzlich explodierte, als sie fotografiert wurde. In Sekundenschnelle war sie verschwunden. Nichts außer den Pumps blieb von ihr übrig. Ihr Begleiter musste sie in einem Cocktailglas nach Hause bringen.«
Peggy, die diese Geschichte bis zu einem gewissen Grad glaubte, rief klagend: »Oh Idgie, du willst mich zum Narren halten!«
Erleichtert hatte Stump aufgeseufzt, als die Party zu Ende gewesen war. Als Football-Held vom Vorjahr immer noch berühmt, hatte er sich ständig von gaffenden Jungs und kichernden Mädchen umringt gesehen.
Nach dem Besuch im Café brachte er Peggy heim. Er stoppte das Auto vor ihrem Haus und wollte aussteigen, um auf die andere Seite zu gehen und ihr die Tür zu öffnen. Aber da nahm sie die Brille ab, neigte sich zu ihm, schaute ihn mit ihren großen, braunen, kurzsichtigen Susan-Hayward-Augen an und sagte: »Also, dann gute Nacht.«
Er starrte in diese Augen und merkte, dass er sie nie zuvor gesehen hatte – große Teiche aus samtigem Braun, in die man hineinspringen wollte, um darin zu schwimmen. Ihr Gesicht war nur wenige Zentimeter von seinem entfernt, und er roch den betörenden Duft ihres White-Shoulders-Parfums. In diesem Moment glich sie Rita Hayworth in »Gilda«, nein, Lana Turner im »Netz der Leidenschaften«. Und als er sie küsste, empfand er das leidenschaftlichste Gefühl seines Lebens.
In jenem Sommer wurde der blaue Anzug regelmäßig aus dem Schrank geholt, und im Herbst brillierte er in Columbus, Georgia, wo sie aufs Standesamt gingen, um zu heiraten. Idgies einziger Kommentar lautete: »Ich hab’s dir ja gesagt.«
Danach brauchte Peggy nur die Brille abzunehmen und ihn anzuschauen, und er war verloren.
B IRMINGHAM , A LABAMA
24. Mai 1949
Birminghams Mittel- und Oberschicht erlebte Glanzzeiten, und die Slagtown News berichteten eifrig über die Aktivitäten von hundert Gesellschaftsclubs. Je heller die Haut, desto besser der Club.
Mrs. Blanche Peavey, Jaspers Frau, war so hellhäutig wie er und soeben zur Präsidentin des Royal Saxon Society Beiles Gesellschafts- und Erbauungsclubs ernannt worden, einer Organisation, deren Mitglieder einen so hellen Teint aufwiesen, dass das alljährliche Gruppenfoto irrtümlich in einer Zeitung für Weiße auftauchte.
Jasper wurde zum Großen Vizekanzler der angesehenen Pythia-Ritter gewählt. Also war es nur natürlich, dass seine älteste Tochter Clarissa in diesem Jahr zu den prominentesten Debütantinnen zählte und beim Nelkenball ihren ersten öffentlichen Auftritt genoss. Mit ihrem rotgoldenen Haar, den Pfirsichwangen und den grünen Augen galt sie als begehrenswertestes Mädchen in diesem erlesenen Kreis.
Am Tag des Debütantinnenballs ging sie in die Innenstadt, um ein besonderes Parfum zu kaufen. Sie fuhr zum ersten Stock eines Warenhauses hinauf, mit dem Lift für Weiße. Das hatte sie schon ein paarmal
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