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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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sprachen über Indien und Pakistan, über die gemeinsame Erfahrung der Teilung, über die südasiatische Küche. »Außerdem freundete ich mich mit einem der Iraner an. Vier Iraner kündigten recht bald, ihnen war die Arbeit auf dem Schiff körperlich zu anstrengend. Sie hatten erwartet, dass sie sehr schnell zu Offizieren aufsteigen würden, anstatt dauerhaft an Deck schuften zu müssen.«
    Mein Vater und die anderen Kadetten klopften Rost, führten Malerarbeiten aus, schrubbten das Deck, räumten auf, gingen Laderaumwache, sprich: schauten nach, ob die Ladung ordentlich verstaut war und auch einen Sturm und schweren Seegang ohne Schäden überstehen würde.
    Die »Goldenfels« war ein Stückgutfrachter, in dem fünftausend Tonnen Waren in Säcken und Kisten Platz fanden. Auf diesem Schiff hatte mein Vater seine ersten Begegnungen mit diversen deutschen Eigenheiten – zum Beispiel mit dem Buchstaben Ü. Ihm war nicht klar, was es mit diesem U mit den zwei Punkten darüber auf sich hatte, er wusste nur, dass rund dreitausendfünfhundert Tonnen Erdnüsse, die sie im indischen Kandla im nordwestlichen Bundesstaat Gujarat geladen hatten, für die Firma Ültje in Emden bestimmt waren. Wie sprach man das aus? Ultsche? Altschi?
    Von Gujarat ging es weiter nach Bombay, wo Gewürze geladen wurden.
    So lernte mein Vater die Häfen dieser Welt kennen. »Bei einer anderen Reise haben wir in Cochin, in Indien, Kokosnussöl in Tanks geladen. Als wir in Hamburg ankamen, war das Öl hart geworden. Es dauerte Stunden, bis wir es mit der bordeigenen Heizung wieder geschmolzen hatten.«
    Beim Laden und Löschen musste immer ein Kadett Wache stehen, damit nichts von der Ware verschwand. Es genügte schließlich, wenn die Besatzung sich selbst ein bisschen an der Fracht bediente. »Einmal hatten wir ein paar Tausend Tonnen Datteln, Mandeln und Pistazien in Basra, im Irak, geladen. Auf dem Weg nach Bremen haben wir Unmengen von dem Zeug gegessen. Und im Persischen Golf waren die Fischer scharf auf Datteln. Mit denen haben wir einen guten Tausch gemacht: Für ein paar Kisten davon bekamen wir säckeweise Krabben.«
    Das Leben an Bord war ein Geben und Nehmen. Der Kapitän ließ sich nur selten blicken, meist war er auf der Brücke oder in seiner Kajüte. Mein Vater und die anderen Kadetten bekamen ihn nur beim Ein- und Auslaufen zu Gesicht.
    Die jungen Seeleute hatten ihren eigenen Aufenthalts- und Speiseraum, die Kadettenmesse. Und es gab hier, um Gottes willen, Schweinefleisch! Und Alkohol! Für die muslimischen Besatzungsmitglieder wurde zwar extra gekocht, aber mein Vater dachte sich, was soll’s, er könne ja nicht immer etwas anderes essen als seine deutschen Kollegen – und griff beim Schweinefleisch zu. »Es schmeckte mir von Anfang an«, sagt er heute. »Nur vor Kassler habe ich mich geekelt.« Das geräucherte Fleisch sah seiner Meinung nach roh aus und roch merkwürdig. Heute isst er selbst Kassler sehr gerne. Mit Grünkohl.
    In anderen Dingen zeigte er sich nicht so anpassungswillig. »Alkohol habe ich schon getrunken, abends ein Bier oder zwei, aber nie so viel, dass ich betrunken war.« Und niemals ließ er sich, wie viele seiner Kollegen, tätowieren. Mein Vater mit einer Meerjungfrau auf dem Arm – eine komische Vorstellung.
    In der Kadettenmesse wie in ihren Kajüten, wo sie jeweils zu zweit untergebracht waren, hielten sich die Matrosen nur selten auf: Von sechs bis siebzehn Uhr war Dienst angesagt, außerdem mussten sie schon bald auch auf der Brücke Wache gehen und lernen, das Schiff zu navigieren. »Wir hatten Schichten von null bis vier Uhr morgens, von vier bis acht und von acht bis zwölf Uhr. Das wechselte im Wochenrhythmus.« Die ersten beiden Schichten waren die beliebtesten, denn sie zählten komplett als Überstunden.
    Bis 1974 fuhr mein Vater in verschiedenen Positionen zur See, mit dem Familienleben war es erst einmal vorbei. »Ungefähr einmal pro Jahr legten wir in Karatschi an, nur dann hatte ich Gelegenheit, meine Eltern und Geschwister zu sehen.« Den Jahresurlaub verbrachte er in Deutschland, und da er – wie viele junge Seeleute – keine Wohnung hatte, kam er auf dem Hansa-Wohnschiff »Alibaba« in Bremen unter. »Dort wurde mir eine Koje zugewiesen, aber meistens war ich sowieso von meinen deutschen Kollegen eingeladen.« Auf diese Weise lernte mein Vater Deutschland kennen, kam nach Wuppertal und Garmisch-Partenkirchen.
    Nach Monaten als Decksjunge, Jungmann, Leichtmatrose und Matrose bekam

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