Gruenkohl und Curry
eurer Hochzeit ein Paar?«, hakt Uday nach, noch bevor ich auf die erste Frage antworten kann.
Vineet fragt: »Hattest du viele Freundinnen? Und deine Eltern hatten nichts dagegen?« Außerdem will er wissen: »Ist deine Frau Deutsche? Ich meine, richtige Deutsche, nicht so wie du?« Er nimmt mir das Foto aus der Hand und schaut es sich noch einmal genau an.
Mit Vineet und Uday habe ich bei einem Aufenthalt in Bombay Bekanntschaft gemacht. Die beiden Männer sind ungefähr in meinem Alter, wurden in Bombay geboren und wuchsen dort auf. Jetzt leben und arbeiten sie in dieser Megastadt, sie sind Verlagsmanager. Beide sind noch unverheiratet.
In ihrer Vorstellung ist das Miteinander der Geschlechter in der westlichen Welt von Erotik, Abenteuer, Romantik und Verruchtheit geprägt. Was sie über die Liebe in Amerika und in Europa zu wissen glauben, haben sie aus Hollywood-Filmen.
Vineet und Uday stammen aus ganz normalen indischen Familien, sind gebildet und wurden als gläubige Hindus erzogen. Aber wenn sie mit mir über Frauen sprechen, und das tun sie oft und gerne, erwarten sie von mir, dass ich ihnen wilde Geschichten aus dem exotischen Deutschland erzähle.
»Nein, weder meine Eltern noch die meiner Frau hatten etwas gegen unsere Hochzeit. Meine Verwandten in Südasien mussten sich zwar daran gewöhnen, dass sie Christin ist und wir viele Jahre unverheiratet zusammengelebt haben, aber am Ende haben sie das akzeptiert. Ein paar waren sogar bei der Hochzeit in Deutschland dabei. Sie haben gesagt: Na, wenigstens ist sie monotheistisch.«
Kaum habe ich das ausgesprochen, ist es mir peinlich – Vineet und Uday sind schließlich Hindus. Sie gucken mich zweifelnd an. Ich räuspere mich und überspiele die Situation, indem ich Gegenfragen stelle: Wie wollt ihr denn eure künftigen Frauen kennenlernen? Warum heiratet ihr nicht einfach diejenige, die euch gefällt? Oder habt ihr euch während eures Studiums nie verliebt?
Betretenes Schweigen für einen Moment, jetzt sind sie es, die sich verlegen räuspern. Ich habe einen wunden Punkt getroffen.
»Jede Ehe ist nur ein Kompromiss«, sagt Uday dann. Eine Beziehung bestehe aus einer Aneinanderreihung von Situationen, in denen einer der beiden Partner sich sagen müsse: Okay, ich nehme mich zurück und lasse dem anderen den Vortritt. »Da ist es wichtig, dass der Ehepartner einen guten Charakter hat. Das ist wichtiger als gutes Aussehen, denn was nützt das Aussehen?«, sagt er. Er klingt sehr überzeugt. Und dann folgt ein Satz, den alle indischen und pakistanischen Eltern ihren Kindern sagen und der in vielen indischen Filmen vorkommt: »Die Liebe kommt später ganz von alleine.«
Partnerwahl ist wohl weltweit Glückssache. Und seit Jahrtausenden überlässt man in Südasien das Glück nicht dem Zufall, sondern seinen Eltern – ob Hindu, Muslim, Sikh, Parse oder auch Atheist.
Arranged marriage
, arrangierte Hochzeit, heißt dieses Modell der Partnersuche, aus dem heute noch wahrscheinlich neunundneunzig Prozent aller Ehen in Pakistan und Indien hervorgehen (die übrigen sind die Beziehungen, über die sich die gesamte Nachbarschaft das Maul zerreißt): Die Eltern suchen den passenden Partner für ihr Kind im Bekanntenkreis, lassen sich von Freunden Empfehlungen geben, durchforsten Hunderte von Anzeigen in den Tageszeitungen oder nutzen die seit ein paar Jahren boomenden Partner-Internetseiten.
Mich wundert, dass die erwachsenen Söhne und Töchter das mitmachen und diese wichtige Entscheidung ihren Eltern überlassen. Außerdem widerspricht das dem täglich in Hollywood- und Bollywood-Filmen vorgeführten Ideal von der ewigen Liebe zwischen schönen Menschen, die – vielleicht nach mühsamem Werben umeinander oder nach Umgehen familiärer, sozialer, wirtschaftlicher Hürden – ohne Hilfe ihrer Eltern oder sogar gegen deren Willen zueinanderfinden.
Vineet und Uday lieben solche Filme. Sie schwärmen für nahezu alle Schauspielerinnen, amerikanische wie indische. »Mann, so eine Frau hätte ich auch gerne«, sagen sie, wenn ihnen eine besonders gefällt. Aber am Ende werden sie doch heiraten, wen Mama und Papa ihnen präsentieren.
»Meine Eltern wissen, was gut für mich ist«, erklärt Vineet. »Außerdem ist es ja nicht so, dass sie mir jemanden vorsetzen und ich ihre Wahl akzeptieren muss. Wenn sie jemanden vorschlagen, kann ich immer noch ablehnen. Oder ich bitte meine Eltern, die Eltern eines ganz bestimmten Mädchens zu fragen. Eines Mädchens, das mir
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