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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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Verwandten, sich also nicht in sich verkrochen.
    Meine Mutter sagt, ohne die beiden hätte sie es wohl nicht geschafft. Sie waren die Starthilfe, die sie brauchte und mit der niemand in Pakistan gerechnet hatte, als all die Warnungen auf sie einprasselten.
    Omi und Opi sprachen kaum Englisch. Wenn Karin und Horst da waren, die im Haus direkt hinter Omi und Opi lebten, übersetzten sie für die beiden, ansonsten ging es auch mit Händen und Füßen. Täglich schauten Karins Zwillingsschwester Ilse und deren Mann Hans-Hermann vorbei, auch sie halfen bei der Verständigung. Mein Vater sprach zu der Zeit schon einige Brocken Deutsch, die er an Bord und auf der Seefahrtschule gelernt hatte. Trotz der Sprachbarrieren haben sich alle gut verstanden.
    Gleich am Tag nach ihrer Ankunft in Rastede fuhr meine Mutter mit Karin los, um Kleidung einzukaufen. Sie hatte nur eine sommerliche Garderobe in ihrem Koffer, dazwischen einen Mantel und einen Pullover. »Ich kaufte auch ein paar Baby-Klamotten, denn es waren ja nur noch ein paar Wochen bis zur Geburt.«
    Karin regelte die Aufenthaltserlaubnis für meine Mutter bei der zuständigen Behörde in Westerstede im Landkreis Ammerland. Ein Besuch genügte, schon war ein Stempel im Reisepass mit dem Eintrag
»Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland einschl. des Landes Berlin«
. Darunter stand:
»Selbständige Erwerbstätigkeiten oder vergleichbare unselbständige Erwerbstätigkeiten nicht gestattet«
– sicherheitshalber fügte der Sachbearbeiter handschriftlich hinzu:
»Arbeitsaufnahme nicht gestattet.«
    Meine Mutter durfte bleiben, solange mein Vater sich in der Ausbildung zum Kapitän befand, hieß es, vorerst jedoch nur bis zum 22. September 1975, also ein Jahr. Danach konnte sie, je nach Ausbildungsstand meines Vaters, eine Verlängerung beantragen. Die Aufenthaltsgenehmigung ließ sich die Behörde mit zwanzig Mark bezahlen. Zwanzig Mark für ein Jahr Deutschland – 1974 war die Bundesrepublik noch ein offenes Land. Sechs Jahre später sollte ein Beamter, der unsere Ausweisung betrieb, schreiben, die Aufenthaltsgenehmigung für meine Mutter sei
»aus humanitären Gründen«
erteilt worden. Wie gnädig.
    Hätten meine Eltern damals die Staatsbürgerschaft beantragt, wer weiß, ob sie sie nicht problemlos bekommen hätten. Aber damals war die Entscheidung, auf Dauer hierzubleiben, noch nicht gereift. Und als sie getroffen wurde, war es hierfür zu spät.
    Mein Vater verbrachte die Tage wieder in Bremen. Der Urlaub war vorüber, er machte eine Fortbildung an der Seefahrtschule und meine Mutter war in einer Familie umsorgt, wie sie es sich vor ein paar Tagen nicht hätte träumen lassen. Alle Befürchtungen der Verwandten in Pakistan, sie würde niemanden in Deutschland haben, der ihr zur Seite stehen könnte, bewahrheiteten sich nicht. Wieder hatte sich gezeigt: Das Vertrauen in das Leben wird belohnt. Schade, dass ihre Eltern und Schwiegereltern die Rasteder Familie nie persönlich kennengelernt haben. Was sie wohl voneinander gehalten hätten?
    Sabine, die zwölfjährige Tochter des Hauses, musste ihr Zimmer räumen und meinen Eltern zur Verfügung stellen. Opi holte ein blaues Himmelbettchen vom Dachboden, in dem schon mehrere Kinder der Familie geschlafen hatten, und bereitete es für das Kind vor, das demnächst zur Welt kommen sollte. Mein erstes Bett.
    Was Sabine wohl von meinen Eltern gedacht hat? Schließlich bewohnten sie, Wildfremde, plötzlich ihr Zimmer. Und was Omi und Opi, Karin und Horst, Ilse und Hans-Hermann wohl von uns hielten? Kamen ihnen meine Eltern mit ihrem anderen Aussehen, ihrer Sprache, ihrem anderen kulturellen Hintergrund nicht sehr fremd vor? Als ich einmal meine Schulferien in Rastede verbrachte, fragte ich Omi. Sie sagte nur: »Och, gar nicht. Ich fand euch gar nicht anders.« Sie sagte das in dem Singsang, der den Menschen in dieser Region Niedersachsens eigen ist. »Ihr wart so schön braun. Seid ihr ja immer noch.« Dann lachte sie ihr wunderbar schnatterndes Lachen und strich mir durchs Haar.
    Die Einschätzung meiner Mutter deckt sich mit der von Omi. »Alle diese Menschen kamen mir überhaupt nicht fremd vor. Ist das nicht komisch? Ich fühlte mich von Anfang an wohl.« So anders lebten die Deutschen gar nicht, dachte sie – das Konzept der Großfamilie war ihnen jedenfalls nicht gänzlich unbekannt.
    Kochs waren unsere Patenfamilie.
    Vielleicht braucht jeder, der aus einem fremdem Land, einer anderen Kultur kommt, so

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