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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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eine Patenfamilie: Menschen, die den Neuankömmling an die Hand nehmen, mit ihm zum Einkaufen gehen, ihm die nächste Stadt zeigen, ihn zu Behördengängen begleiten und so die Angst nehmen, ihn behutsam mit dem heimischen Essen vertraut machen. Das würde Integration sehr erleichtern: Beide Seiten würden voneinander lernen. Man sollte jeden Politiker, der von Ausländern mehr Integrationswillen fordert, verpflichten, für drei Monate eine ausländische Familie aufzunehmen.
    Meine Mutter machte das erste Mal in ihrem Leben Bekanntschaft mit Schweinen. Die Tiere standen in einiger Entfernung auf einer Wiese, sie entdeckte sie, als sie mit Omi und Opi unterwegs war. »Ich wunderte mich: Was sind das für riesige Viecher? Schafe? Aber sie hatten kein Fell. Schweine kannte ich nur aus pakistanischen Bilderbüchern: kleine, rosafarbene Tiere. Diese Wesen hier waren schwarzbraun und riesengroß, fast so groß wie Kühe.« Sie starrte die Schweine an, sie begriff, dann entfuhr ihr: »Pigs! There are pigs!« Omi fiel diese Szene regelmäßig ein, wenn sie Geschichten von früher erzählte. »Deine Mutter sagte nur: ›Pigs!‹ Und ich: Ja, das sind ›pigs‹. Die hatte sie wohl noch nie zuvor gesehen.«
    Schnatterndes Gelächter.
    Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Fleisch dieser Tiere auch auf dem Teller meiner Mutter landete. Ich weiß nicht, inwiefern Omi meine Eltern gefragt hat, ob sie Schweinefleisch essen, oder ob sie es ihnen überhaupt angeboten hat. Meine Mutter hatte es bis dahin trotz des Bratengeruchs an Bord und bei Kochs zu Hause nicht probiert, weil sie innerlich nicht dazu bereit war – noch nicht. Jahrelang hatte sie gehört, wie eklig Schweinefleisch ist. Sie hatte gesehen, dass mein Vater Schweinefleisch aß und fand es nicht weiter schlimm. Sie selbst rührte es nicht an. Aber dann briet Omi eines Abends Schweinekoteletts, kochte Kartoffeln und Rotkohl dazu und dünstete im Bratfett Ananasstücke an. Meine Mutter, hochschwanger, hatte großen Appetit.
    »Was gibt es zum Abendessen?«
    »Koteletts mit Ananas.«
    »Ah, Koteletts mit Ananas!«
    Kotelett hatte sie gelernt und Ananas heißt auch auf Urdu Ananas.
    Es schmeckte ihr so gut, dass sie noch heute davon schwärmt. »Aus Pakistan kannte ich Lammkoteletts vom Grill, die sehen fast genauso aus.« Allerdings sind die viel schärfer, aber das war wohl zweitrangig. Fortan war Schweinefleisch für meine Mutter kein Problem mehr.
    Dass Muslime kein Schweinefleisch essen, ist häufiger mal Gesprächsthema in meinem Bekanntenkreis. Gelegentlich höre ich Bewunderung heraus für die Entbehrung, die Muslime aus religiösen Gründen freiwillig auf sich nehmen durch den Verzicht auf ein schönes Stück Schweinebraten – was ihnen da Leckeres entgeht! Mein Hinweis, dass auch Juden kein Fleisch dieses Tieres und Hindus so gut wie gar kein Fleisch verzehren, zieht meist Erörterungen über die Verderblichkeit von Schweinefleisch, über Trichinen, winzige Fadenwürmer, und über die womöglich als unrein empfundene Lebensweise von Schweinen nach sich – schließlich fräßen sie jeden Dreck und man könne daher schon nachvollziehen, dass manche Menschen das unappetitlich finden.
    »Das Schweinefleischverbot hat historisch gesehen sicherlich praktische Gründe«, lautet die Schlussfolgerung.
    Ich kenne die persönlichen Gründe nicht, weshalb die halbe Menschheit kein Schwein isst. Meine Verwandten in aller Welt verzichten jedoch nicht auf Schweinefleisch, weil sie sich strikt an das Verbot in der zweiten Sure im Koran halten wollen oder weil sie an eine gesundheitsschädliche Wirkung glauben – sie finden es schlicht aus der Tiefe ihrer Seele heraus ekelhaft. Alkoholgenuss ist aus ihrer Sicht noch halbwegs verzeihlich, manche meiner Onkel und Cousins würden zu einem Whisky oder einem Bier nicht Nein sagen. Aber Schweinefleisch? Niemals!
    Warum bloß?, wundern sich manche meiner deutschen Freunde, wenn ich ihnen das erzähle.
    Die Antwort ist einfach: aus dem gleichen Grund, weshalb einige Leute Hundefleisch nicht unbedingt als Delikatesse betrachten, das manche Chinesen und Koreaner aber als kulinarische Köstlichkeit feiern. Religion, Erziehung, Gewöhnung – Appetit setzt sich aus vielen Faktoren zusammen.
    Meine Eltern mochten Kotelett mit Ananas auf Anhieb, aber nicht immer gestaltete sich die Übernahme von Essgewohnheiten so einfach: So manches war äußerst gewöhnungsbedürftig. »Von zu Hause kannte ich, dass Essen gewürzt wird. Hier war das

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