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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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leider nicht von mir überzeugen, sich auch so ein Auto anzuschaffen. Sie entschieden sich für einen gebrauchten Ford Escort – in Braun. Sie waren ziemlich stolz auf dieses Auto. Was Autofarben betraf, hatten die Menschen Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger wirklich einen seltsamen Geschmack.
    Ich bekam schnell zu spüren, dass es ein Fehler gewesen war, ein braunes Auto zu kaufen. Ein Kindergartenfreund warf mir in einem Streit darüber, wessen Vater das schnellere Auto hatte, an den Kopf: »Euer Auto ist genauso braun wie du.«
    Er hatte völlig recht, genauso wie das Mädchen, das mir sagte, ich brauche keine Schminke für die Rolle des dunklen Königs. Kinder sagen oft die brutale Wahrheit, als Ausländerkind bekommt man solche Wahrheiten besonders häufig zu hören. Mich verletzte das jedes Mal. Und jedes Mal wünschte ich mir ein bisschen mehr, weiß zu sein wie alle anderen.
    Meine Eltern merkten nichts von meinem Leid. Ich erzählte ihnen nie von den Vorfällen, weil ich kein Schwächling sein wollte.
    Ich hasste die Farbe Braun.
    Deshalb war ich froh, als meine Eltern mir eines Tages, ich ging da schon zur Schule, erzählten, sie würden ein neues Auto kaufen – ihren ersten Neuwagen, einen Toyota Starlet. Ich hatte keine Ahnung, was das für ein Auto war, malte mir aber das heißeste Rennauto, den bulligsten Geländewagen, den größten Luxusschlitten aus, wie ich sie von meinen Spielkarten kannte, dachte aber nicht eine Sekunde lang an einen Kleinwagen. Umso größer war meine Enttäuschung, als das Auto einige Wochen später beim Händler stand und wir es abholten. Es war klein. Und es war braun. Braun metallic, um genau zu sein.
    »Ich erinnere mich noch, wie ich damit zur Volkshochschule zum Deutschkurs fuhr und mich extra ans Fenster setzte, damit ich das Auto auf dem Parkplatz im Blick hatte«, erzählt meine Mutter. »Wir waren sehr glücklich, ein ganz neues Auto zu haben.«

    Dann meldete sich der schnurrbärtige Beamte wieder. Er kündigte meinen Eltern telefonisch an, die Aufenthaltserlaubnis nun definitiv nicht mehr zu verlängern – die gesamte Familie solle sich auf eine Ausreise bis Ende September 1980 vorbereiten.
    Meine Mutter wollte mit dem Beamten von Angesicht zu Angesicht reden. Sie bat per Brief um einen Termin. Er schickte seine Antwort an den Anwalt meiner Eltern:
»Angesichts der eindeutigen Rechtslage sowie der Tatsache, daß alle wichtigen Argumente bereits ausgetauscht wurden, halte ich ein persönliches Gespräch nicht für sehr erfolgversprechend.«
    Meine Mutter blieb hartnäckig: Sie rief den Beamten an und bat noch einmal um ein Treffen, um ihre Bitte um Verlängerung des Bleiberechts persönlich vorzubringen – und bekam einen Termin für acht Uhr.
    Sie erinnert sich noch heute genau an diesen Tag im Spätsommer 1980. Um fünf Minuten vor acht war sie da. Sie klopfte an die Bürotür.
    »Ach, Sie schon wieder, ja, nehmen Sie draußen Platz. Ich rufe Sie rein.«
    Meine Mutter schloss die Tür wieder, setzte sich auf einen Holzstuhl im Flur. Mit der Zeit füllte sich der Raum, immer mehr Menschen aus verschiedenen Ländern kamen in die Behörde, um sich einen Stempel in ihren Reisepass geben zu lassen.
    Es wurde neun Uhr. Viele derjenigen, die später als meine Mutter gekommen waren, waren längst verrichteter Dinge wieder gegangen.
    Um zehn Uhr klopfte meine Mutter noch einmal an die Tür. Sie öffnete sie einen Spalt weit. Der Beamte machte gerade Pause, hatte die Beine auf den Schreibtisch gelegt, blätterte in einer Zeitschrift und hielt einen Becher Kaffee in der Hand.
    »Was wollen Sie? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich Sie reinrufe, wenn Sie dran sind!«, brüllte er sie an.
    Meine Mutter schloss verängstigt die Tür. Sie setzte sich wieder in den Flur.
    Eineinhalb Stunden später wurde sie hereingerufen. Noch bevor sie etwas sagen konnte, prasselte ein Wortschwall auf sie ein.
    »Frau Kazim, Sie wollen hier in Deutschland bleiben. Sie wollen nicht für einige Zeit bleiben, Sie wollen für immer bleiben, schließlich haben Sie einen Antrag auf Aufenthaltsberechtigung gestellt. Aber da muss ich Ihnen ganz klar sagen: Das geht nicht! Wir sind kein Einwanderungsland! Wir haben Ihnen immer wieder Aufenthaltsgenehmigungen gegeben, aber Sie können nicht dauerhaft hier bleiben oder sogar Deutsche werden, das ist ausgeschlossen!«
    Meine Mutter, die inzwischen gut genug Deutsch beherrschte, um den Beamten zu verstehen, war verwirrt, weil er so auf sie

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