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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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einen Kredit von uns haben. Wir können da leider keine Unterschiede machen.«
    Lochte saß da und schwieg. Meine Eltern sagten auch nichts, Lorenzen guckte in die Luft. Peinliche Stille.
    Die Sachbearbeiterin kannte Pastor Lochte nicht.
    Man sah, wie sein Kopf rot wurde. Dann schlug er mit der Faust auf den Schreibtisch, dass es krachte.
    »Sie müssen Unterschiede machen!«, schrie er sie an.
    Schwerfällig erhob er sich von seinem Stuhl. »Kommen Sie!«, forderte er meine Eltern auf. Sie folgten ihm.
    Die Sachbearbeiterin wollte etwas sagen, aber Lorenzen unterbrach sie: »Lassen Sie mal, ich regele das schon.«
    Ein paar Tage später bekamen meine Eltern einen zinslosen Kredit über fünftausend Mark. Tante Ute, meine Patentante, lieh meinen Eltern weitere zweitausend Mark.
    Mein Vater meldete sich für den Lehrgang zum Großen Patent an der Seefahrtschule in Cuxhaven von Anfang März 1985 bis Ende Juli 1986 an. Als Zeichen des guten Willens gegenüber dem Landkreis Stade und als Signal für eine einvernehmliche Lösung nahm er die Klage wegen der Aufenthaltsberechtigung zurück – Lochte hatte ihm dazu geraten und gesagt, man werde schon auf anderem Wege dafür sorgen, dass wir in Deutschland bleiben dürften.
    Die ersten Wochen fuhr mein Vater täglich mit dem Auto nach Cuxhaven, bis er merkte, dass es so nicht ging – schließlich musste er nach der Schule noch lernen. Er nahm sich, gemeinsam mit einem Kollegen, eine Wohnung nahe der Seefahrtschule.
    Immerhin sah ich meinen Vater so jedes Wochenende. Wir hatten zwei Haushalte, einen in Hollern, einen in Cuxhaven, aber null Einkommen. Das war der Preis, um in Deutschland bleiben zu dürfen. Meine Eltern waren bereit, ihn zu zahlen.
    Ganz offensichtlich hatte die Ausländerbehörde nicht damit gerechnet. Im Sommer 1985 versuchte sie deshalb, uns auf ganz andere Weise loszuwerden.

Tausche pakistanischen Pass gegen deutschen

    Drei Wochen Pakistan im Sommer 1985: meine erste bewusste Reise in dieses Land. Vor gut einem Jahr war Kazim Ali Khan, mein Großvater, gestorben. Ich hatte ihn zuletzt als Dreijähriger gesehen, konnte mich also kaum an ihn erinnern. Er war damals schon ein alter Mann gewesen. Die anderen Großeltern lebten noch, auch sie waren alt und fragten ständig, wann wir sie endlich besuchen kämen. Meine Schwester, bald sieben Jahre alt, hatten sie noch nie gesehen.
    Mein Vater hatte vier Wochen Schulferien. Seine Schwester Zahra ahnte, dass es uns finanziell schlecht ging, sie schickte Geld für vier Flugtickets. Wir sollten nach Karatschi fliegen.
    Mein Vater hatte inzwischen, wie vom Landkreis Stade versprochen, eine Aufenthaltserlaubnis für die Zeit seiner Fortbildung bekommen. Meine Mutter, meine Schwester und ich waren nach wie vor geduldet, doch sollten wir bald eine reguläre Aufenthaltserlaubnis erhalten, hieß es. Meine Eltern erkundigten sich in der Ausländerbehörde, ob sie mit der Duldung für einen dreiwöchigen Urlaub nach Pakistan fliegen konnten.
    »Das ist überhaupt kein Problem«, versicherte der Beamte.
    Meine Eltern buchten einen Flug nach Karatschi.
    Wir fuhren mit dem Zug von Stade nach Frankfurt, es gab noch keine Hochgeschwindigkeitszüge, die Fahrt dauerte eine halbe Ewigkeit. Wir kamen zu spät am Flughafen an, mussten daher rennen, um unser Gepäck abzugeben. Aus einem Fenster entdeckte ich die Maschine von Pakistan International Airlines, mit der wir schon bald abheben sollten – ich war der glücklichste Junge der Welt!
    An der Passkontrolle dauerte es ewig. Der Beamte musterte aufmerksam unsere Tickets und unsere Pässe, dann verschwand er. Ich wollte ins Flugzeug, warum dauerte das alles nur so lange? Der Beamte kam wieder und bat uns in ein Nebenzimmer.
    »Hören Sie, Sie haben Hin- und Rückflugtickets für die gesamte Familie, aber nur Sie, Herr Kazim, dürfen mit Ihrer Aufenthaltserlaubnis wieder in die Bundesrepublik einreisen. Ihre Papiere, Frau Kazim, und die Ihrer Kinder lassen eine Wiedereinreise nicht zu.«
    Mein Vater musste sich setzen. Er sagte kein Wort.
    »Aber wir haben doch in der Ausländerbehörde nachgefragt«, merkte meine Mutter an. »Dort sagte man uns, dass unsere Papiere in Ordnung seien.«
    »Dann hat man Ihnen etwas Falsches gesagt.«
    Meine Mutter hakte nach. »Ist das vielleicht nur ein kleiner Fehler, den man mit einem Anruf klären kann? Möglicherweise hat der Beamte in Stade sich nur vertan?«
    Der Frankfurter Grenzbeamte guckte uns der Reihe nach an. Mein Vater sagte immer

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