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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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Journalist, aber ganz bestimmt nicht als Anwalt irgendeiner Religionsgemeinschaft.
    Ein in Deutschland lebender Muslim, dem ich von diesem Vorfall erzählte, geriet in Wut. »Viele Christen denken so, dabei müssten die nur mal ihr Altes Testament lesen! Da fließt das Blut in Strömen!«
    »Na, ganz so einfach ist es nun auch wieder nicht. Immerhin sind die Zeiten, in denen Christen sich mit Verweis auf die Bibel gegenseitig umbrachten, Gott sei Dank vorbei«, sagte ich. »Verrückte, die im Namen des Islam töten, gibt es dagegen immer noch.«
    Er musterte mich und erwiderte in einem mitleidigen Ton: »Sie verstehen das nicht, Sie sind in Deutschland aufgewachsen, Sie kennen den Islam nicht. Muslime sind friedliebende Menschen.«
    Aber das hatte ich doch gar nicht in Frage gestellt!
    Menschen wie ich, mit islamischen Wurzeln, aufgewachsen im Westen, geraten häufig zwischen die Fronten.
    Ich hatte damals in Karatschi an so etwas wie Ostern oder Weihnachten gedacht, mit vielen Geschenken, als meine Verwandten mir etwas von »ganz tollem Fest« und »heiligem Tag« erzählten. Aber als sie an diesem Feiertag zwei Ziegen anschleppten, schwante mir bereits Böses. An Leinen gebunden, führten sie die Tiere in den Garten und stellten ihnen einen Eimer Wasser hin. Ich streichelte sie.
    Dann kam ein Mann, dessen knielanges Hemd ursprünglich mal weiß gewesen war, nun aber vor lauter Tierblut eine tiefrote Farbe hatte. In einem Metallkoffer hatte er eine Menge Messer dabei. Zwei junge Männer, ebenfalls in blutgetränkten Klamotten, begleiteten ihn.
    »Geht jetzt ins Haus!«, befahl man uns Kindern. »Ihr könnt später wieder draußen spielen.«
    Aber ich wollte nicht. Meine Neugier war größer als meine Furcht vor dem, womit ich rechnete. Und meine Ahnung wurde bestätigt: Diese zwei niedlichen Ziegen sollten geschlachtet werden, eine schreckliche Vorstellung. Ich blieb draußen und folgte dem Schlachter hinters Haus. Einer meiner Cousins, etwa so alt wie ich, schlich mir nach. Der Familienälteste nahm nun das größte Messer aus dem Koffer, hielt es sich an die Stirn und begann, ein Gebet zu murmeln. Der Schlachter und seine beiden Gehilfen legten währenddessen die Ziege auf die Seite, das Tier zappelte und versuchte zu entkommen, vergeblich, die drei Männer knieten nun auf dem armen Vieh. Staub wirbelte auf. Nachdem mein Großonkel sein Gebet beendet hatte, setzte er das Messer am Hals der Ziege zum ersten Schnitt an. Ich hielt mir die Hände vor die Augen, wollte nicht sehen, was jetzt passierte. Mein Cousin stand gelangweilt neben mir, als habe er so etwas schon tausendmal erlebt. Er guckte mich an und musste lachen, weil ich jetzt ab und zu durch einen Spalt zwischen den Fingern blinzelte. Mein Großonkel war wohl zu alt und zu schwach, jedenfalls geschah nichts. Der Schlachter nahm ihm vorsichtig das Messer aus der Hand und schnitt dem Tier mit einer schnellen Bewegung die Kehle durch. Die Ziege verblutete.
    Die zweite Ziege erlitt dasselbe Schicksal. Aber das bekam ich nicht mehr mit – ich war im Haus und übergab mich.
    Gut, dass man an der Fleischtheke im Supermarkt nicht sieht, was den Tieren widerfahren ist, deren Teile da vor einem liegen.
    In aller Welt opfern Muslime, die es sich leisten können, an diesem Tag ein oder mehrere Tiere. Meist sind es Ziegen, seltener Schafe oder Rinder. Es können auch Kamele sein, wobei das eher in arabischen Ländern der Fall ist. Das Fleisch sollen sie unter den Armen und Hungrigen verteilen und einen Teil davon selbst verzehren. Zu dem Fest besucht man nach dem Opfer Verwandte und Freunde oder bekommt selbst Besuch und bietet ihnen von dem Fleisch an.
    »Und unter den Zeichen Allahs haben Wir für euch die Opferkamele
bestimmt. An ihnen habt ihr viel Gutes. So sprechet den Namen Allahs über sie aus, wenn sie gereiht dastehen. Und wenn ihre Seiten niederfallen, so esset davon und speiset den Bedürftigen und den Bittenden. Also haben Wir sie euch dienstbar gemacht, daß ihr dankbar seiet«,
spricht Gott im Koran zu den Menschen (22. Sure, 37).
    An diesem Tag lagen überall in den Straßen vor den Häusern die nicht verwertbaren Reste der Tiere: Köpfe, Mägen, Gedärme. Die Leute warfen die Kadaver einfach dorthin, und was die Straßenhunde übrig ließen, wurde Tage später von einem Müllsammler abgeholt. Bis dahin hatte die Sonne das Blutrinnsal, das die Wege entlang geflossen war, zu einer braunen Linie ausgetrocknet.
    Das also sollte das Land sein, aus dem ich

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