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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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Als seine Eltern gestorben waren ... Was dachten die wohl, wenn sie jetzt auf ihn herunterblickten, wenn sie sahen, was er aus der Farm gemacht hatte - sechs Generationen war sie in Familienbesitz gewesen -, wenn sie sahen, was er aus dem Namen Maxwell gemacht hatte?
    Doch all das war wahrscheinlich nicht wichtig. Es zählte nur die Tatsache, daß man ihn einbuchten würde.
    Pure Zeitverschwendung, dachte er. Du weißt doch, wozu du hergekommen bist. Er ging auf das Haus zu und wünschte sich noch einmal, diese seltsame Musik zu hören.

    »Warum hast du ihm das gesagt?« fragte Sherry, als Lisa den Hörer auflegte. »Jetzt wird er seine Wut an Frankie auslassen.«
    »Das kann er nicht.« Lisa schüttelte den Kopf. »Ihm ist klar, daß wir alles wissen. Was will er denn machen? Wenn Frankie was zustößt, weiß er, daß wir jederzeit zur Polizei gehen können.«
    »Wieso denkst du, daß er sich davon aufhalten läßt? Vielleicht ist er jetzt sogar hinter uns her.«
    »Ich kenne solche Kerle.« Lisa blieb bei ihrer Meinung. »Sie klopfen große Sprüche, aber ...«
    »Du irrst dich gewaltig«, brummte Steve. »Earl Shaw ist ’n verrücktes Arschloch, glaub mir. Ich an deiner Stelle würde irgendwo ’nen langen Urlaub machen, bis hier alles vorbei ist. Das täte ich, denn ich hänge ziemlich an meinen Eiern.«
    »Komm schon, Steve, was kann er schon machen?«
    »Weiß nicht. Aber ich werde auch nicht hier rumhängen, um es rauszufinden. Wenn er auf direktem Weg herkommt, braucht er ungefähr fünfundvierzig Minuten oder so - und ich weiß, daß ich in den nächsten fünf Minuten verschwunden bin.«
    »Wo willst du hin?«
    »Hab ’nen Kumpel, der hat ’n Chalet oben in Wakefield - ’n Kerl, den Earl nicht kennt.«
    Lisa musterte Sherry. »Du hast Angst, was?«
    Sherry nickte. »Du nicht?«
    Lisa dachte darüber nach, wie Earl am Abend vorher gewesen war. Sicher, ’n bißchen grob und selbstverliebt - aber verrückt?
    »Hab mal gesehen, wie er mit ’nem Radschlüssel auf ’n anderen losgegangen ist«, meinte Steve. »Und wollt ihr wissen, warum? Der Junge lehnte an Earls Wagen.«
    »Ist das wahr?«
    Steve nickte. Die beiden Frauen wechselten einen Blick. »Nimmst du uns mit?« fragte Lisa.
    »Wenn ihr in vier Minuten fertig seid.«
    »Wetten, daß ...?«

    Brenda Maxwell lag im Bett, als sie den Wagen ihres Mannes vorfahren hörte. Gott sei Dank. Er war zurück. Sie hatte für ihn am nächsten Morgen einen Termin bei Dr. Bolton verabredet. Hoffentlich kann ich ihn überreden, daß er hingeht, dachte sie und lauschte auf seine Schritte. Sie hörte, wie sie sich entfernten. Wahrscheinlich ist er zum Grab gegangen. Sie selbst war früher am Tag auch dort gewesen und hatte an den armen alten Dooker gedacht - und daran, wie alles sich verändert hatte. Von welchen Dämonen ihr Mann auch besessen sein mochte, sie hoffte, daß es noch nicht zu spät war, sie zu verjagen.
    Sie wollte schon aufstehen und nach ihm sehen, als die Vordertür geöffnet wurde. Seine schweren Arbeitsschuhe polterten den Flur entlang zur Küche. Sollte sie ihm etwas zu essen machen? Er war ohne Frühstück aus dem Haus gegangen und hatte, wenn er sich draußen nichts gekauft hatte, wahrscheinlich auch kein Mittag- oder Abendessen gehabt. Wo in Gottes Namen war er den ganzen Tag lang gewesen?
    Ehe sie aus dem Bett heraus war, hörte sie die hintere Fliegentür in den Angeln quietschen und zufallen. Was machte er denn jetzt schon wieder?
    Sie schlüpfte in ihre ausgetreten Hausschuhe und den schäbigen Morgenmantel. Im Flur und Treppenhaus war es dunkel, aber sie beschloß, kein Licht zu machen. Gott allein wußte, was im Moment in seinem Kopf vor sich ging. Sie wollte ihn nicht noch verrückter machen, wenn er morgen doch zu dem Termin mit Dr. Bolton mußte und sie endlich jemanden hatte, der ihr half, mit dieser Sache fertigzuwerden.
    Langsam stieg sie die Stufen hinunter und ließ die Finger am Handlauf entlanggleiten. Erinnere dich an die guten Zeiten, sagte sie leise vor sich hin. Im Augenblick haben wir es sehr schwer, aber es kommen auch wieder bessere Zeiten.
    Zur Übung wiederholte sie diese Worte mehrfach, denn schließlich sollten sie in seinen Ohren überzeugend klingen.
    Sie hatte gerade die unterste Stufe erreicht, als draußen ein Schuß krachte. Sie stolperte und wäre gestürzt, hätte sie sich nicht am Handlauf festgehalten.
    Sie wußte schon, ehe sie die Küche erreichte, das Hoflicht einschaltete und auf die Veranda hinaustrat,

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