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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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Moment miteinander verbunden hatte. Ist aber ’ne seltsame Scheiße, in die wir hier reingeraten sind, dachte Finger.
    »Gebt mir ’n paar Stunden«, meinte Earl. »Wenn ich zurück bin, haben wir immer noch Zeit genug, die Sache durchzuziehen, ehe es ganz dunkel ist.«
    Louie sah auf die Uhr. »Wenn du nicht um viertel nach sieben zurück bist, machen wir ohne dich weiter.«
    Bestimmt nicht bei dem Topf voller Honig, der dort nur in Schußweite entfernt auf mich wartet, dachte Earl. »Bin rechtzeitig zurück«, beruhigte er Louie und ging aus der Tür.
    Mein Gott, Howie, dachte er, während er auf den Lift wartete, zu schade, daß du das verpaßt. Wird ’ne heiße Party. Er grinste. Alles wäre ’ne Party, verglichen mit dem Kofferraum, in den er Howies Leiche verfrachtet hatte - obwohl er nichts dagegen hätte, das Gesicht des Kerls zu sehen, wenn er den Kofferraum aufmachte, weil der Gestank zu schlimm geworden war, und sich plötzlich Howie Peale und seiner hübschen Maden-Show gegenübersah.
    Mit einem Klingelton hielt der Fahrstuhl. Earl betrat die Kabine und konzentrierte sich auf sein Vorhaben. Wen zum Teufel kannte er, der innerhalb der nächsten Stunde mit ’nem Raketenwerfer auf der Matte stand? Als er auf die Straße hinaustrat, hatte er eine Idee. Er würde der Ottawa-Sektion der Motorrad-Gang ›Teufelsdrachen‹ ’nen Besuch abstatten. Wenn diese Lutscher keinen Raketenwerfer hatten, dann war das Ding wahrscheinlich noch nicht erfunden. Zumindest nicht als Waffe, die man in der Hand hielt. Mann, bei denen hatte er sogar mal ’ne ausgewachsene Kanone gesehen.

KAPITEL FÜNF
    Die Kuppe des Wolding-Hügels zeigte sich als flache Granitplatte, die aus den bewaldeten Hängen herausragte. Es war ein festes Felsplateau mit spärlicher Vegetation. Nur eine alte Pinie reckte ihre Krone in die Höhe. Sie hatte in einer breiten Bodenspalte an einer Ecke des Plateaus, die im Lauf der Zeit vom Wind mit Erde verfüllt worden war, Wurzeln geschlagen. Der Boden darunter war mit einem Teppich aus braunen Nadeln bedeckt.
    Ali und das wilde Mädchen suchten sich ein paar Zedernzweige und fegten damit die Nadeln von dem Platz. Den ganzen Nachmittag über sammelten sie Holz für das Freudenfeuer und trugen es zur Hügelkuppe hinauf. Zum Schluß schichteten sie die Äste und Zweige sowie die Knochen eines Hirschskeletts, das Mally aufgestöbert hatte, zu einem Kreis von fünf Fuß Durchmesser und fast vier Fuß Höhe auf.
    Jetzt hockte Ali allein davor und betrachtete den Holzstapel, wobei sie mit dem Metalldorn des Spazierstocks darin herumstocherte. Sie war sich immer noch nicht sicher, ob ihr Handeln richtig war; sie wußte nicht einmal genau, was sie hier eigentlich tat. Sie wußte nur, daß sie es zu Ende bringen mußte.
    Sie starrte auf das Geweih, das oben auf dem Haufen lag. Dieses war anders als das kleine Geweih, das sie bei dem Skelett gefunden hatten. Es zeigte eingeritzte Verzierungen und war mit Federn und Perlen geschmückt. »Es hat einmal Old Hornie gehört«, hatte Mally ihr erklärt. Das Zwillingsstück dazu mußte ihre Mutter jetzt haben, überlegte Ali, die selbst nicht wußte, warum sie es Mally eigentlich mitgegeben hatte.
    Sie hörte ein Geräusch. Jemand stieg das letzte Stück des felsigen Hanges herauf. Ali drehte sich um und rechnete fast damit, ihre Mutter oder Tony auftauchen zu sehen. Doch es war nur Mally, die von Tony und Alis Mutter zurückkam. Sie trug eine Papiertüte in der Hand und hatte einen ledernen Wasserbeutel über die Schulter geworfen.
    »Hallo, Ali, komm und sieh dir an, was ich gefunden habe.« Sie hielt Ali die Tüte hin, die Sandwiches enthielt, wie Ali feststellte, als sie sie öffnete. Bei ihrem Duft begann ihr der Magen zu knurren.
    »Wo hast du sie her?« fragte sie.
    »Aus Lewis’ Hütte.«
    Ali wollte dem wilden Mädchen erklären, daß es nicht richtig sei, sich einfach etwas zu nehmen, doch sie war zu hungrig, um sich deswegen lange herumzustreiten. Danke, Lewis, dachte sie, als sie das oberste Sandwich herausnahm. »Was hat meine Mom gesagt?« fragte sie, den Mund voll Brot, hartgekochten Eierscheiben, Käse und Wasserkresse.
    »Sie wollte schon nein sagen«, erklärte Mally und bemächtigte sich des anderen Sandwichs, »hat es sich aber dann anders überlegt.«
    »Wie kam sie dazu?«
    Mally zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht genau. Sie spürte wohl, daß du es tun mußt; andererseits rechnen sie dort unten aber auch selbst mit Problemen und wollen dich

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