Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
Vom Netzwerk:
solltest an Tony denken. Sieht so aus, als brauche er Hilfe - und das schnell. Versprich mir, daß du die Kohle rausrückst! Wirf die Pistole weg, und ich bringe dich zu ’nem Haus, von wo wir den Krankenwagen anrufen können. Ist das ’n Angebot?«
    Frankie hatte Schwierigkeiten, Earl mit der Waffe in Schach zu halten und sich gleichzeitig zu vergewissern, wie es um Tony bestellt war. Sie wußte, er war verwundet, aber nicht, wie schwer. Er brauchte dringend Hilfe. Wenn sie Earl doch nur vertrauen könnte. Er könnte alles haben, was sie besaß, aber sie wußte, daß er sich nicht an das halten würde, was er sagte. Er hatte seine Versprechen noch nie gehalten. Und wieso sollte es diesmal anders sein?
    »Hör zu«, sagte Earl, »ich will dir meinen guten Willen beweisen. Ich lege das Gewehr hin.« Er legte die Waffe ins Gras und streckte ihr beide Hände entgegen. »Siehst du, ich bin jetzt unbewaffnet, und du hast ’ne Knarre. Ich will euch beiden helfen.«
    Durch das Niederlegen der Waffe war er ihr einen Schritt näher gekommen. Mit seinen Worten lenkte er sie ab und verringerte unbemerkt den Abstand zu ihr, bis nur noch Valenti zwischen ihnen lag.
    »Ich bin doch gar nicht so schlecht«, meinte er besänftigend. »Ich meine, wir haben schlimme Zeiten durchgemacht, und du mußtest dich von mir trennen - das sehe ich ja ein. Aber wir hatten auch ’n paar gute Tage, stimmt’s? Also laß uns den Deal wegen der guten Tage machen, okay? Ich gebe dir deinen Freund - und du gibst mir die Kohle.«
    Er sah ihr an, daß sie ihm glauben wollte. Im Schein der Flammen wirkte ihr Gesicht verzerrt. Sie senkte die Waffe ein wenig. Earl wußte, daß er etwas unternehmen und daß er es schnell tun mußte. Die Flammen würden die Feuerwehr oder was sie sonst hier in der Einöde hatten, auf den Plan rufen, und dann ließen auch die Bullen nicht mehr lange auf sich warten.
    »Komm schon, Frankie, leg die Pistole weg.«
    Der Lauf senkte sich noch eine Spur mehr. Earl tat so, als schaue er zu Valenti hinüber. »Mein Gott, sieh dir nur das Loch in seinem Körper an!«
    Frankie sah auf Valenti hinab. Earl griff über den Verletzten hinweg und schlug ihr die Pistole aus der Hand. Frankie verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Als sie sich aufrichtete, schlug er ihr mit dem Handrücken ins Gesicht und warf sich über sie. Mit den Knien und dem Gewicht seines Körpers nagelte er sie an den Boden. Sie versuchte, sich zu Wehr zu setzen, und er schlug sie erneut. Dann sprang er auf, packte sie am Haar und zerrte sie auf die Füße. Sie versuchte, nach ihm zu schlagen, doch ihrem Arm fehlte die Kraft.
    »Du lernst es nie, stimmt’s?« sagte er. »Sieh dich doch nur an. Ich könnte mit einer Hand die Scheiße aus dir rausprügeln - warum wehrst du dich also?« Er schlug sie wieder, packte sie grob am Arm und zerrte sie über die Wiese.
    »Tony!« wimmerte sie.
    »Scheiß auf Tony! Wo ist dein Sparbuch, Frankie? Morgen früh haben wir beide zusammen ’ne Verabredung in deiner Bank, und bis dahin müssen wir verschwinden.«
    »Nein!«
    Frankie ließ sich ins Gras sinken. Fluchend bückte Earl sich nach ihr, um sie hochzureißen. Mit aller Kraft trat sie ihm in die Hoden. Er stürzte nach hinten und versuchte nach ihr zu greifen. Sie trat noch einmal zu.
    »Du ... du bist ... du bist tot«, keuchte er.
    Sie kroch ihm aus dem Weg, als er mühsam auf die Knie kam.
    Ihre ganze Pein und Seelenqual gipfelten in dem brennenden Wunsch, zurückzuschlagen, diesem Mann alles heimzuzahlen, was er ihr angetan hatte. Sie wollte auf keinen Fall mehr sein Opfer sein. Das erwartete Tony von ihr, das war sie ihm schuldig. Auf Händen und Füßen kroch sie die kurze Strecke bis zu seinem Körper und zerrte die UZI unter ihm hervor. Mit der Waffe in der Hand warf sie sich herum. Earl kam gerade taumelnd auf die Füße und zog mit schmerzverzerrtem Gesicht eine Pistole aus dem Gürtel.
    »Fahr zur Hölle!« schrie Frankie und drückte auf den Abzug - doch der Hahn ließ sich nicht bewegen. Nichts geschah. Aufstöhnend tat Frankie das einzige, was ihr in diesem Moment in den Sinn kam, und schleuderte Earl die nutzlose Waffe ins Gesicht.

KAPITEL ACHT
    Er brauchte ziemlich lange für den Aufstieg. Heute spürte Lewis sein Alter ganz besonders. Schließlich aber erreichte er die Kuppe des Wold Hill, blieb schweratmend stehen und starrte auf das Freudenfeuer. Es erinnerte ihn an seine Kindheit. Damals war New Wolding noch jung gewesen - eine weitere

Weitere Kostenlose Bücher