Grünmantel
ihnen.«
»Schön, wer ist es dann, der unser Haus beobachtet? Was meinst du?«
»Ich weiß es nicht. Als ich zum ersten Mal herkam, hatte ich auch das Gefühl, von jemandem oder etwas da draußen beobachtet zu werden.«
»Und jetzt?«
Valenti dachte an das Pfeifen, das immer aus weiter Ferne zu kommen schien, war aber innerlich noch nicht bereit, darüber zu sprechen. »Jetzt glaube ich, daß es nur irgendein Tier war - ein Fuchs oder so was. Hör mal, ich habe ziemlichen Durst. Was ist mit dir? Willst du ein Coke?«
»Vielleicht etwas Limonade.«
»Wird sofort erledigt.«
Er ging zum Haus voran und betrat es durch die Hintertür. Neben der Tür standen zwei Liegestühle. Ali rückte sich einen so zurecht, daß das Sonnenlicht ihr nicht direkt in die Augen schien, und setzte sich hinein. Dabei bemerkte sie, daß Tony an der von der Straße aus nicht sichtbaren Seitenwand des Hauses eine Satellitenschüssel angebracht hatte, und fragte sich, ob sie ihre Mutter dazu überreden konnte, ebenfalls eine zu kaufen. Obwohl sie erst ein paar Tage hier wohnten, vermißte Ali schon die tollen Spätfilme, die über Kabel ausgestrahlt wurden.
Tony kam mit ihrer Limonade und einem Bier für sich zurück und setzte sich in den anderen Liegestuhl, wobei er vorsichtig sein Bein ausstreckte.
»Was ist mit deinem Bein passiert?«
Ein Schatten legte sich über sein Gesicht, ein Ausdruck, den sie nicht deuten konnte, und sie fragte sich, ob sie mit ihrer Frage zu weit gegangen war. »Es macht dir doch nichts aus, daß ich danach frage, oder?«
»Wie bitte?« Valenti schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Ich war nur gerade in Gedanken.«
Er wurde ohnmächtig, als Mario ihn hochhob und ihn aus der Villa schleppte. Das nächste, woran er sich erinnerte, war die Tatsache, daß sie sich auf einem Fischerboot befanden und auf die Nordküste von Afrika zutuckerten. Seine Schulterwunde war sauber. Die Kugel hatte nur einen Muskelstrang verletzt und war glatt durchgegangen. Das andere Geschoß jedoch hatte einen Knochen im Bein zerschmettert.
»Wir haben dich zum Arzt gebracht, und der hat getan, was er konnte, doch wahrscheinlich wirst du nie mehr richtig gehen können, Tony«, hatte ihm Mario erklärt.
»Welcher Tag ist heute?«
»Der Überfall ist jetzt zwei Tage her. Wir mußten ein wenig herumwandern.«
»Herr im Himmel! Ich war zwei Tage lang weggetreten?«
Mario legte ihm die Hand auf die Brust und drückte ihn auf die harte Koje zurück. »Sachte, Tony, sachte. Wir sind in Sicherheit. Ich habe ein paar Verbindungen in Tunesien. Es ist schon alles vorbereitet. Wir werden außerhalb von Moknine von Bord gehen, wo ein Truck auf uns wartet, der uns nach Tunis bringt. Dort werden wir uns in einem Hotel verkriechen. Der Besitzer schuldet mir noch einen Gefallen. Keiner wird uns dort behelligen, hörst du? Wir gehen dort für ein paar Monate auf Tauchstation. Danach verschwindest du wohin auch immer, und ich kehre nach Hause zurück.«
»Du kannst nicht mehr zurück, Mario.«
»Wo liegt das Problem? Eine Stimme am Telefon kann mir befehlen, einen Mann umzubringen, der für mich wie ein Sohn ist? Ich soll tun, was irgend so ein Niemand mir am Telefon vorschreibt? Die Leute haben ein Problem, aber das ist ihr Problem. Sie können ihre eigenen Kerle schicken. Ich bin nicht mehr in diesem Geschäft, capito? Keiner wird mich behelligen, wenn ich nach Hause zurückgehe, Tony. Ich habe Freunde, die den Magaddinos verdammte Schwierigkeiten machen können. Kapierst du, was ich sage?«
»Klar doch. Grazie , Mario.«
»Laß das, was soll der Quatsch? Aber vielleicht solltest du mal darüber nachdenken, dich ebenfalls aus dem Geschäft zurückzuziehen, Tony. Man wird zu schnell zu alt dabei. Es ist nicht mehr so. wie früher. Such dir ’nen anderen Job. Ich meine, was hat denn die Familie jemals für dich getan? Du weißt, was sie mit mir gemacht haben. Sie haben mich für den padrone - Gott erbarme sich seiner Seele - in den Knast gehen lassen und mich deportiert, als ich herauskam. Jesus, wen kenne ich denn von den Leuten, die in der alten Heimat geblieben sind? Ich war zehn Jahre alt, als wir in New York ankamen. Aber ich habe sie ausgetrickst, Tony. Ich bunkerte ’n bißchen Geld an einem Ort, den sie nicht kannten, und das wartete dann auf mich, als ich rauskam. Und heute lebe ich auf Malta - ich habe eine Frau, zwei Kinder und einen schönen Besitz. Mein Leben ist jetzt sehr ruhig und friedlich, weißt du? Denk drüber nach,
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