Grünmantel
Tony.«
Valenti schüttelte den Kopf. »Ich werde den Kerl erledigen, Mario, der mich in diese Scheiße geritten hat. Ich habe keine andere Wahl.«
»Ja, ja, ich weiß. Deine Ehre verlangt das von dir. Schön, dann sag mir doch eins: Diese Leute, haben sie einen von uns jemals ehrenhaft behandelt? Ich sage dir noch einmal - es ist nicht mehr wie in den alten Tagen, Tony. Ich kann vor ihnen keinen Respekt mehr haben. Aber wart mal ab - wenn du wieder auf den Beinen und in der Lage bist zu laufen, wird dir das alles nicht mehr so wichtig sein. Glaub mir, wenn erst mal einige Zeit verstrichen ist, wirst du anders darüber denken.«
Vielleicht, vielleicht auch nicht, dachte Valenti. Man würde sehen ... Er schaute zu Ali hinüber, trank einen Schluck Bier und lächelte.
»Mit dir und mir«, meinte er dann, »ist das ’ne Mordssache.«
Er wollte ihr damit sagen, er werde sich so eng an die Wahrheit halten, wie es ihm möglich war. Sie würden Freunde werden, und er wollte sie nicht anlügen.
»Was meinst du damit?« fragte Ali prompt.
»Ich war ein Soldat.«
»Wirklich? In welcher Armee?«
Valentis Lächeln verstärkte sich. Er hörte im Geist Marios Stimme: Du mußt dir ’nen Ort suchen, wo sie dich, wenn du sagst, du bist ein soldato , fragen, in welcher Armee, und nicht, in welcher Familie.
»Ich war so was wie ’n Privatsoldat.«
»Sozusagen ein Söldner?«
»Ja, so was Ähnliches. Inzwischen habe ich mich aus dem Geschäft zurückgezogen. Aber das bleibt unter uns, okay? Das mußt du mir versprechen.« Verdammt! Er konnte doch nicht mehr ganz dicht sein, ihr soviel zu verraten. Aber mit wem sollte sie schon darüber sprechen?
Ali nickte ernst. »Ich werde es keinem verraten - nicht mal meiner Mom -, wenn du es nicht willst.«
»Ich will es nicht.«
»Meine Lippen sind versiegelt«, sagte sie und preßte sie mit Daumen und Zeigefinger zusammen.
Er lachte. »Wie willst du so trinken können?«
Ali kicherte und ließ die Hand sinken. »Brauchst du noch Hilfe bei dem Zaun?«
»Klar. Hast du mit deiner Mutter über meine Einladung zum Dinner gesprochen? Was hat sie gesagt?«
»Sie sagte, das sei nett.«
»Phantastisch. Das gibt ein Essen, das du nicht so schnell vergessen wirst, Ali. Wir werden mit Antipasta anfangen ...«
»Was ist Antipasta?«
»Das sind Oliven, kaltes Fleisch, Käse - solche Sachen. Damit und mit einem guten Weißwein fangen wir an. Läßt deine Mutter dich schon Wein trinken?«
»Beim Essen schon.«
»Schön. Wie wär’s dann mit Samstagabend?«
Ali nickte, und beide machten sich wieder an die Arbeit. Valenti erklärte ihr das weitere Menü, während sie den Hühnerdraht an den Zaun nagelten. Der Nachmittag verflog im Nu, und viel zu schnell war Ali wieder auf dem Heimweg. Sie lief das letzte Stück, um nicht zu spät zum Abendessen zu kommen.
Valenti sah ihr nach. Er konnte nur hoffen, daß es kein Fehler war, ihr soviel über sich zu erzählen. Doch irgendwie war er auch froh, daß er es getan hatte. Es war schön, mit einem Freund ein Geheimnis zu teilen.
Er sammelte das Werkzeug ein, brachte es an seinen Platz und ging zum Haus. Später würde er dann im Wald hinter Alis Haus nachsehen, ob dort irgendwelche Spuren von ihrem geheimnisvollen Besucher zu finden waren. Während er das Essen zubereitete, überlegte er, ob er ein Schießeisen mitnehmen sollte. Am Ende entschied er sich für seinen Spazierstock. Wer brauchte hier draußen schon Schußwaffen?
KAPITEL FÜNF
An den Hängen des Snake Lake Mountain gab es einen großen gräulichblauen Stein, einen ausgestreckten Finger aus Fels, der zwischen Zedern und Pinien, Ahornbäumen, Birken und Eichen zum Himmel wies. Er sah aus, als gehöre er zum Wald und den Felsrücken, die sich durch den fruchtbaren Waldboden schoben, war aber wesentlich älter als seine Umgebung - ein verlorenes Überbleibsel von irgend etwas Geheimnisvollem. Er stand auf einer Wiese, die im Hang ein kleines flaches Plateau bildete. Über ihr bedeckte der Wald, ein Geflecht aus Unterholz und alten Bäumen, den Hang bis zur Hügelkuppe. Unterhalb des Plateaus erstreckte sich ein jüngerer Baumbestand bis zu dem kleinen Dorf New Wolding und den umliegenden Feldern hinunter, ehe er in der Ferne den Black Creek und das Land dahinter erreichte.
Hirsche wetzten ihre Geweihe an dem Stein, und auf der Wiese grasten Ziegen und Schafen so häufig, daß die Wiese einem künstlich getrimmten Rasenplatz glich. Doch am häufigsten kam Tommy Duffin hierher und
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