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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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gemacht, Earl, dachte er. Das Kind konnte sie abhängen - aber nicht, solange es auf der Straße blieb.
    Die Scheinwerfer des Wagens erhellten das Straßenstück vor ihm. Vor dem Mädchen erblickte er einen Mann, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Als der Fremde die Waffe hob, griff Howie nach seiner Pistole - und bemerkte im nächsten Moment, daß Earl dicht hinter ihm die Straße heraufraste. Mit einem Riesensatz sprang er zur Seite. Der Wagen schoß an ihm vorbei, und dann krachte es so laut, als ob ein anderer Wagen den Toyota seitlich gerammt hätte. Howie warf einen Blick zum Wagen hinüber - und seine Augen weiteten sich vor Schreck.

    Mach ’n Satz, Howie, dachte Earl, sonst bist du gleich nur noch ’n totes Stück Fleisch. Vielleicht sollte er das freche Luder, das seine Tochter war, anfahren, dann konnte es sich nicht mehr einfach aus dem Staub machen. Und wenn er sich dabei verschätzte - Teufel, was machte das schon? Er mußte die Rotznase ja nicht in einem Stück und unversehrt abliefern. Er brauchte das Kind nur so lange, bis Frankie die Kohle ausgespuckt hatte. Solange Frankie nicht wußte, daß ihre Tochter tot war, würde sie zahlen. Und darin - nun, vielleicht war es gar keine so schlechte Idee, beide aus dem Weg zu räumen, um diese alte Geschichte ein für allemal zu beenden.
    Earl sah, wie Howie zur Seite sprang, und bemerkte im nächsten Moment, daß da außer seiner Tochter noch jemand auf der Straße war. Er hatte noch Zeit, die Waffe in der Hand des Fremden zu erkennen, und genug Zeit, einen Blick auf sein Gesicht zu werfen - auf das Gesicht eines Toten! Dann rammte etwas die Seite des Toyota, und Earl hatte alle Hände voll zu tun, die Kontrolle über den Wagen wiederzugewinnen. Er kämpfte mit dem Lenkrad und trat voll auf die Bremse.
    Der Motor jaulte laut auf, als er den Wagen abrupt zum Stehen brachte. Earl drehte den Kopf, um zu sehen, was ihn da gerammt hatte, ohne selbst den Aufprall richtig wahrzunehmen. Zu sehr hatte ihn der Anblick des Mannes auf der Straße überrascht, der eigentlich tot sein mußte. Jetzt aber fand er sich Auge in Auge mit einem riesigen Hirschbock.
    »Jesus!« murmelte er und griff nach seiner Pistole.
    Der Hirsch senkte den Kopf, sprang vor und rammte den Wagen erneut. Earls Waffe polterte zu Boden. Das Seitenfenster zerbarst zu einem Spinnwebenmuster. Earl schüttelte benommen den Kopf und hob die Hände, um sich zu schützen, als der Hirsch erneut vorstürmte.

    Valenti hatte den Finger am Abzug und wollte gerade schießen, als der Hirsch aus dem Wald hervorbrach und den Wagen seitlich rammte. Er verringerte den Druck auf den Abzug, während der Wagen schleudernd zum Stehen kam. Der Motor erstarb, das Scheinwerferlicht wurde um eine Nuance schwächer.
    »Ali«, rief er und machte ein paar Schritte auf sie zu. »Geh sofort in mein Haus!«
    »A ... aber ...«
    »Komm, Kind, tu, was ich dir sage!«
    Ali nickte und lief zu ihm hinüber. Valenti legte ihr den Arm um die Schulter und drückte sie kurz an sich, wobei sein Spazierstock gegen ihr Bein stieß.
    »Nun mach schon!« drängte er, ohne den Blick auch nur einen Moment von dem Wagen und dem Geschehen vor sich zu nehmen.
    »Er ... er hat gesagt, er ... er sei mein Vater ...«
    Valenti warf ihr einen raschen Blick zu und sah dann, wie der Hirsch wieder auf den Wagen zusprang.
    »Darüber reden wir später. Jetzt lauf.«
    Er ließ sie stehen und ging langsam auf den Wagen zu, der von dem Hirsch erneut gerammt wurde. Durch die lastende Stille hörte er die ferne Musik zurückkehren.
    Er wußte nicht, was hier vor sich ging, wer die Männer wirklich waren und was sie von Ali wollten. Aber es schien passend und irgendwie richtig zu sein, daß der Hirsch wieder aufgetaucht war, um ihr beizustehen. Tony hätte den Grund dafür nicht sagen können. Die Antwort darauf lag in der Musik verborgen.
    Er riß die Waffe hoch, als der Mann, der auf der Straße gewesen war, ehe der Wagen auftauchte, sich plötzlich hinter dem Toyota erhob und seine Pistole auf den Hirsch richtete. Sein Finger krümmte sich - aber Valenti war nicht schnell genug, um dem Schuß des anderen zuvorzukommen. Ohne zu zögern, feuerte der Bursche seine Waffe auf den Hirsch ab. Jetzt riß Valenti den Abzug durch.

    Howie wußte nicht, ob er mit seiner Pistole einen so riesigen Bock wie diesen erledigen konnte. Er versuchte es einfach. Zwei Schüsse feuerte er ab und war sich sicher, daß er nicht vorbeigeschossen hatte. Doch der Hirsch starrte

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