Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
Vom Netzwerk:
Hoffnung, die aus der Musik klang, von ihrem Versprechen ... bis Tommy die Flöte von den Lippen nahm und sie in den Schoß legte. Dann kehrte der Geist von Ackerly Perkin wieder, um Lewis mit seinen Sprüchen von Illusionen und Lügen zu peinigen, allesamt versehen mit einem Hauch von Wahrheit und einer gewissen Logik, die Lewis die Entscheidung schwermachten, was nun Wirklichkeit war und was nicht.
    Tu, was du willst, wird das einzige Gesetz lauten. Als Crowley diese Worte verkündete, waren sie geprägt von seinem Ich. In ihnen war die Welt als eine Ganzheit zu wenig bedacht. Und doch war das Individuum wichtig - als Individuum. Davon war Lewis überzeugt. Es zählte das, was das Individuum mit in die Welt brachte, was das Individuum dem Mysterium gab. Aber wenn das alles nur Illusion war ...
    Lily legte ihre Hand auf die seine und riß ihn aus seinen Gedanken. »Es scheint ganz in der Nähe zu sein, nicht wahr? Seine eigenartige Gegenwart ist so nahe.«
    Tommy spielte wieder, wobei er nur leicht über die Rohröffnungen hinwegblies. Doch es reichte, um eine leise Tonfolge über die Lichtung und über ihre Grenzen hinweg in den Wald und in die Nacht hinauszusenden. Das Mysterium muß Wirklichkeit sein, dachte Lewis. Es war doch keine Illusion, die mit Mally und dem Mädchen auf dem Rücken in die Dunkelheit davonsprang. Wenn etwas Substanz besaß, konnte es doch keine Illusion sein, oder?
    Aber womit hat es angefangen? flüsterte Ackerly Perkins tonlose Stimme in seinem Kopf. Rauh und erbarmungslos hallte sie durch Lewis’ Verstand. Wenn doch alles mit einer Illusion begonnen hatte, was war das Mysterium dann jetzt?
    »Ich liebe es, wenn es so ist wie jetzt«, sagte Lily. »Es ist schön, das Mysterium zu erleben, ohne daß ihm einen Horde von schwarzen Mönchen nach den Fersen schnappt.«
    Lewis sah sie an. »So erlebst du sie? Als Mönche?«
    »Als Mönche ... oder Priester.« Lily zuckte die Schultern. »Die Jagdhunde Gottes. Ich kann mich noch daran erinnern, als du mir zum ersten Mal erzähltest, was die Heilige Kirche dem Mysterium antat. Dem, den sie Jesus nannten - dem Grünen Mann, den sie an einen Baum in der Wüste hängten. Wie der heilige Paulus das Mysterium annahm und daraus eine Religion der Intoleranz und Selbstquälerei machte. So sehe ich die Meute immer noch. Als die Hunde des heiligen Paulus, die immer wieder versuchen, das Mysterium mit ihren Lügen in die Falle zu locken.«
    »Das soll ich erzählt haben?« Lewis dachte an die Unterhaltung, die er früher am Tag mit seinen Gästen geführt hatte. Hatten seine Fragen und seine Verwirrung ihn schon so weit gebracht, daß ein anderer ihn daran erinnern mußte, woran er selbst einst ohne jeden Zweifel geglaubt hatte?
    »Ja, das hast du erzählt, Lewis. Erinnerst du dich nicht mehr daran?«
    »Sind sie denn wirklich, sind sie real?«
    »Wer? Die Hunde?«
    Lewis nickte.
    »Haß und Intoleranz sind immer real, oder nicht?«
    Wieder nickte Lewis.
    »Schön, dann wird es, solange diese Dinge existieren, auch immer diese Hunde geben. Etwas wird immer hinter Grünmantel her sein. Auch das waren übrigens deine Worte.«
    »Und das Mysterium? Was ist damit?«
    »Ich weiß nicht, was du meinst, Lewis.«
    »Ist es immer noch real?«
    Lily versuchte, seine Gesichtszüge zu deuten, aber es war zu dunkel. »Was willst du damit sagen, Lewis? Daß wir uns das Mysterium nur eingebildet haben?«
    Lewis seufzte. »Ich weiß es nicht mehr. Ich glaube, ich habe meinen Kopf mit zu vielen Dingen vollgestopft. Ich habe zu vieles hinterfragt und versucht, mit Logik etwas zu begreifen, das nur außerhalb der Logik existiert.«
    »Du hast mir immer erklärt, daß wir nur so unser Wissen über die Welt erlangen, die uns geprägt hat. Daß es uns zur Ehre gereicht, wenn wir versuchen, das Mysterium sowohl mit unserer Seele als auch mit dem Verstand zu begreifen.«
    »Aber man kann es doch nicht begreifen.«
    »Deshalb ist aber der Versuch noch lange keine Zeitverschwendung.« Lily lächelte und nahm seine Hand. »Ist das nicht komisch?« fragte sie. »Hier sitze ich und benutze deine eigenen Argumente gegen dich. Und doch glaube ich nicht, daß dies eine Sache zwischen dir und mir ist, Lewis. Es ist eine Sache zwischen dem Mann, der du einmal warst, und dem Lewis von heute.«
    »Und welcher ist der echte?«
    »Das weiß ich nicht, Lewis. Ich weiß nur, daß das Mysterium jedem gehört.«
    Lewis nickte. »Da stimme ich dir zu. Aber es gibt keinen anderen Platz für den

Weitere Kostenlose Bücher