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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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Grünen Mann, den Gehörnten, den Hirsch oder was immer er ist, als diesen Platz hier. Und das womöglich nicht mehr lange.«
    »Dann müssen wir ihm eben einen neuen Platz bereiten.«
    »Und wenn wir dabei versagen?« fragte Lewis. »Was dann? Was tut er dann in dieser Welt? Keiner da draußen will ihn.«
    Lily lächelte. »Ich glaube, wir schulden ihm etwas mehr Vertrauen«, meinte sie. »Wir reden hier nicht von einem gewöhnlichen Hirsch, Lewis. Wir reden von einem Wesen, das den Wald zum Rauschen bringt, wenn es vorbeigeht.«
    »Jetzt klingst du fast wie Mally. Sie ist der Meinung, wir sollten mehr Leute nach New Wolding holen, wenn wir den Hirsch in unserer Nähe behalten wollen. Und wenn wir das nicht schaffen, sollten wir ihn einfach frei laufen lassen.«
    »Ich glaube nicht, daß dies unsere Entscheidung ist«, entgegnete Lily. »Wir bilden uns nur ein, über das Mysterium entscheiden zu können. Aber ich bin sicher, in Wirklichkeit tut es, was es will.«
    Tu, was du willst, dachte Lewis mit Schaudern. Crowleys Worte. Die Richtung, die die Unterhaltung genommen hatte, gefiel ihm überhaupt nicht.
    »Ich weiß nicht mehr, was richtig oder falsch ist«, murmelte er.
    »Du solltest dir nicht so viele Sorgen machen. Das hast du doch früher nicht getan. Erinnerst du dich nicht mehr, wieviel glücklicher du damals gewesen bist?«
    »Da schien auch alles noch einfacher zu sein.«
    »Die Dinge haben sich nicht verändert, Lewis. Die Außenwelt ist immer noch dort draußen, und wir sind immer noch hier. Die Hunde jagen den Hirsch, und dann jagt der Hirsch die Hunde. Am Ende gleicht sich alles wieder aus.«
    Sie hat es nicht gesehen, dachte Lewis. Etwas veränderte den Hirsch. Es zog ihn zu den Außenweltlern hin - wie zu Tony Garonne und dem jungen Mädchen, das er zusammen mit Mally heute abend davongetragen hatte. Die Dinge veränderten sich!
    Aber vielleicht wäre es nicht gut, Lily mit der Nase daraufzustoßen. Vielleicht veränderten sich die Dinge ja nur in seinen Augen.
    Er wandte sich der Frau zu und wollte sich ihr nochmals erklären, doch da begann Tommy erneut zu spielen. Die Musik durchdrang Lewis und verscheuchte alle Fragen und Sorgen, ließ in seinem Innern nur Raum für das Mysterium und sonst nichts. Als Tommy die Flöte wieder absetzte, drückte Lily Lewis’ Hand.
    »Er wird zurückkommen«, meinte sie. »Er wird Mally und das Mädchen wiederbringen. Stell ihm doch deine Fragen, Lewis, frei von der Leber weg. Oder sprich mit Ali.«
    Lewis nickte. Er könnte auch mit dem Mädchen reden. Würde sie die Antwort wissen? Was immer der Hirsch und Mally in ihr sahen - sie war noch ein junges Mädchen. Sehr klug für ihr Alter, obwohl er sie nur nach den Maßstäben von New Wolding beurteilte. Vielleicht wurden die Kinder in der Welt jenseits des Dorfes klüger erzogen. Aber sie sprach zumindest nicht in Rätseln. Vielleicht konnte sie ihm alles erklären, sobald sie zurückkam. Wenn sie zurückkam.
    »Er wird sie zurückbringen«, sagte Lily noch einmal, als habe sie seine Gedanken gelesen. »Du wirst sehen.«
    Lewis wandte den Blick von ihr zu dem Schatten am Fuß des alten Steins, der Tommy Duffin war. Obwohl er seine Flöte jetzt nicht blies, wirkte sein Gesicht im Mondlicht schlank, sein Blick verträumt - als wäre er nicht Tommy Duffin, sondern immer noch der Flötenspieler.
    Ihre Blicke begegneten sich, und der Junge schenkte dem Alten ein Lächeln. Dann begann er wieder zu spielen.

KAPITEL FÜNFZEHN
    Bannon machte es sich auf einem der Sofas beim Fenster gemütlich, nachdem sie in Valentis Haus zurückgekehrt waren, und sah zu, wie Valenti ruhelos im Zimmer auf und ab lief.
    »Na, komm schon«, meinte er schließlich, »beruhige dich! Du machst dich ja selbst fertig, und wenn wir dich dann brauchen, bist du nicht fit.«
    Valenti runzelte die Stirn, setzte sich aber. Er verschwendete tatsächlich seine Kräfte, doch wenn er wütend und besorgt war, konnte er einfach nicht stillsitzen.
    »Macht dir das Bein Beschwerden?« fragte Bannon.
    Aus einem Reflex heraus rieb sich Valenti das Bein. »Stimmt. Da drinnen halten mehrere Stahlnägel ein paar Knochen zusammen. Das Bein war in einem schlimmen Zustand, als ich es endlich bis zu ’nem Arzt geschafft hatte. Er tat sein möglichstes, aber ...« Er zuckte die Schultern. »Bei feuchtem Wetter fängt es an zu schmerzen, und manchmal, wenn ich mir zuviel zumute, macht es mir ebenfalls Ärger.«
    Bannon nickte. Schweigend saßen sie eine Zeitlang da und

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