Grundlagen Kreatives Schreiben (German Edition)
Maßnahme schlägt er vor, tabellarisch die Vor- und Nachteile, die der Perfektionismus bietet, aufzulisten. Selbst sehr hartnäckige Perfektionisten, die doppelt so viele Vorteile aufspüren wie Burns, nämlich zwei, werden sich von ihrer eigenen Liste überzeugen lassen, dass ihre bis dahin gepflegte Einstellung nicht das Wahre ist.
Weniger fordern, mehr erreichen
Das Herabsetzen der eigenen Bewertungsmaßstäbe scheint Perfektionisten unmöglich zu sein. Dass sie durch genau diesen Schritt ihre Leistung erst recht steigern werden, erfahren sie dadurch nie. David Burns berichtet von einem eindrucksvollen Beispiel: Als er zu joggen begann, nahm er sich vor, jeden Tag eine kürzere Strecke zu laufen als am Vortag. Gestern 1 Kilometer, heute 800 Meter. Dieses Ziel war gut zu erreichen, also war er immer erfolgreich und das beflügelte ihn so, dass er noch ein Stück weiter laufen konnte.
Irrationale Ängste
Perfektionismus ist immer an Angst gekoppelt. Wenn ich einen schlechten Text schreibe, dann werden alle mich auslachen, hassen, von mir enttäuscht sein … Diese Ängste sind zwar hartnäckig, rational aber nicht haltbar. Deswegen schlägt Burns vor, ihnen auf den Grund zu gehen, sie als unsinnig zu entlarven. Zu diesem Zweck macht man eine Tabelle und schreibt in die linke Spalte die automatischen Gedanken, die einem durch den Kopf schießen. Etwa: „Mein Roman ist vollkommen missraten.“ Dazu notiert man in der rechten Spalte die rationale Erwiderung: „Völlig missraten kann er gar nicht sein. Er hat auch einige sehr schöne Passagen.“ Von einem automatischen Gedanken lässt man sich zum anderen führen, verfolgt so seine Ängste bis in die Tiefe und entkräftigt sie mit Argumenten der Vernunft.
Konzentration auf den Prozess
Ein weiterer Rat von Burns besteht darin, sich auf den Prozess zu konzentrieren und nicht auf das Produkt bzw. das Ergebnis. Das hat zwei Konsequenzen: Zum einen sollte man sich mal wieder klar machen, warum man schreibt. Gerade quält man sich fürchterlich damit, aber früher muss es doch mal Spaß gemacht haben. Erinnert man sich an die Zeit des unbefangenen Schreibens, kann man einfacher dorthin zurückkommen. Entscheidend ist aber auch, dass man sich auf das eigene Tun besinnt und sich klarmacht, wo der eigene Verantwortungsbereich endet. Egal, wie viel Mühe man sich auch gibt, man kann keinen Verleger zwingen, das Buch zu veröffentlichen, keinen Kritiker, es zu lieben. Den Erfolg so zu definieren, dass er von anderen Menschen abhängig ist, scheint unter diesen Gesichtspunkten keine gute Entscheidung zu sein. Definiert man jedoch den Erfolg durch Dinge, die man selber beeinflussen kann, eigene Qualitätsmaßstäbe für den Text zum Beispiel, dann ist der Erfolg erreichbar. Diese Unabhängigkeit ermöglicht dann auch eine freiere Entfaltung, denn das Schielen auf fremde Maßstäbe hat noch niemanden besser gemacht.
Das schönste Mittel gegen Schreibhemmungen
Auch an den produktivsten Schreibtischen kommt es manchmal vor, dass sich eine Schreibhemmung des Autors bemächtigt. Man müsste, aber man kann nicht; man will auch, aber nicht heute … die Muse ist quengelig. Die Situation ist noch nicht so ernst, wie bei einer ausgewachsenen Schreibblockade, die den Autor komplett stilllegt, man verschwendet bei einer Schreibhemmung bloß jede Menge Zeit und fühlt sich unwohl.
Es viele Mittel, die man in dieser Lage anwenden kann, das in meinen Augen schönste besteht darin, sich ein Blatt Papier zu nehmen und alle Gründe aufzulisten, warum man gerne schreibt. Alle. Und wenn man glaubt, schon alles notiert zu haben, listet man noch fünf weitere Gründe auf.
Da gibt es die hehren Gründe, die oft mit der Welt etwas zu sagen haben und sich selbst ausdrücken zu tun haben. Dann gibt es die vielen, vielen kleinen Nebengründe, die auch sehr wichtig sind. Es macht zum Beispiel besonders viel Spaß zu schreiben, weil es etwas ist, das man besser kann als die eigene Schwester, weil man damit bei Lesungen auf der Bühne stehen kann, weil es das Buch, das man am liebsten lesen würde, noch nicht gibt … Kein Grund ist falsch oder nichtig. Auf meiner Liste stehen unter anderem die Gründe, dass man, wenn man schreibt, oft in besonders schöne, alte Häuser kommt und dass ich gerne mit Notizbüchern arbeite.
Von dieser Liste mit Gründen für das Schreiben geht normalerweise eine starke Motivation aus, die jede Schreibhemmung wegspült,
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