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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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könnte dafür garantieren, daß die Rosen weiterblühen, wenn man die Sache bekannt macht? Wie ständen wir
     da, wenn es plötzlich aufhörte? Sogar recht reaktionäre römische Kreise raten uns mit der gebotenen Höflichkeit, die Akten
     zu schließen. Man hat Botaniker, Biologen und Theologen gebeten, sich das Phänomen bei Zusicherung absoluter Diskretion anzuschauen.
     Wissen Sie, wer sich als bewegt erklärt, wer Übernatürliches ins Spiel gebracht hat: die Botaniker und Biologen, nicht die
     Theologen. Und bedenken Sie die politischen Dimensionen: aus der Asche einer Jüdin, die konvertierte, Nonne wurde, dann sofort
     Lehrverbot erhielt, die dann unter – sprechen wir es getrost aus – recht unerfreulichen Umständen verstarb – aus ihrer Asche
     erblühen seit dem Jahr 1943 Rosen! Das ist wie ein Hexenzirkel. Magie. Mystik. Und mir, ausgerechnet mir, die ich mich kritisch
     zum Biologismus von Benn geäußert habe, mir übergibt man dieses Dossier! Wissen Sie, was mir gestern ein hoher Prälat kichernd
     am Telefon gesagt hat: ›Paul gibt uns Wunder genug auf, bitte jetzt keine weiteren. Er ist uns little flower genug, wir sind also mit Blumen versorgt.‹ Werden Sie schweigen?« Hier nickte der Verf. nicht mit dem Kopf, er schüttelte
     ihn energisch, bekräftigte die Bewegung verbal durch ein deutlich ausgesprochenes »Nein«, und da Klementina nun lächelte,
     müde, wobei sie sich der leeren Zigarettenpackung als Wischmittel bediente, die Kippen von ihrem Unterteller auf den des Verf.
     mit dessen Kippen konzentrierte, dann, immer noch müde und sich wieder der leeren Packung als Wischinstrument bedienend, die
     Raucherspuren in einem Papierkorb aus blauem Kunststoff entleerte, lächelnd dann stehen blieb und somit das Signal zum Aufbruch
     gab, weiß der Verf. nicht, ob hier nicht, |403| indem man es zu verleugnen vorgab, ein Wunder doch manipuliert werden soll.
    Im Plauderton über Literatur sprechend, brachte Klementina den Verf. zur Pforte. Es war ein relativ weiter Weg, etwa vierhundert
     Meter durch das weitläufige Gelände. Zypressen, Pinien, Oleander – man kennt das ja. Vorne an der Straße, mit dem Blick auf
     die gelblich-rötliche Ewige Stadt, steckte der Verf. Klementina seine unangebrochene Reservepackung Zigaretten zu, die sie
     lächelnd im Ärmel ihres Habits verbarg; sie schob sie einfach unter das hemdartig wirkende Kleidungsstück, das auf Grund seiner
     straffen Gummierung mehr als Zigaretten zu verbergen geeignet war. Hier nun, auf den Bus wartend, der ihn in Richtung Vatikan
     stadteinwärts bringen sollte, schien es dem Verf. angebracht, den platonischen Bann zu brechen; er zog Klementina zwischen
     zwei junge Zypressen und küßte sie ungeniert auf die Stirn, die rechte Wange, dann auf den Mund. Sie wehrte sich nicht nur,
     sie sagte seufzend: »Ach ja«, schwieg eine Weile lächelnd, bevor sie nun ihrerseits ihn auf die Wange küßte, sagte dann, als
     sie den Bus nahen hörte: »Kommen Sie wieder – aber bitte nicht mit Rosen.«
     
    Daß der Verf. diese Reise als lohnend empfand, wird jedermann ohne weiteres verstehen; daß er die Abreise nicht verzögern
     wollte, um nicht verschiedene Menschen allzu rasch in Konfliktsituationen zu bringen, mag ebenso verständlich sein, und da
     es für ihn keine Eile mit Weile gibt, zog er für die Rückreise den Luftweg vor, innerlich – und bis auf den heutigen Tag –
     zur Gänze zerrissen von dem Problem, ob und wenn ja, in welchem Grad, sich – was die Unkosten betrifft – anläßlich dieser
     Reise Berufliches und Privates gemischt habe, zerrissen, wenn auch nur zur Hälfte, außerdem von einer ebenso beruflichen wie
     privaten Frage: hatte K. raffiniert um publicity für das |404| Rosenwunder von Gerselen geworben, oder hatte sie, mit gleicher Raffinesse, das zu verhindern gewünscht; und wie würde er
     sich, falls es ihm gelänge, der nunmehr Geliebten die Wünsche von den Lippen abzulesen, verhalten: objektiv, wie es seiner
     Pflicht entsprach, oder subjektiv, wie er seiner Neigung und dem Wunsch, K. gefällig zu sein, entsprechen würde?
     
    Mit diesem vierstöckigen Problem befaßt, nervös, eigentlich schon eher gereizt, traf ihn nach dem römischen Frühling der heimatliche
     Winter hart: Schnee in Nifelheim, schlüpfrige Straßen, ein schlechtgelaunter Taxifahrer, der permanent irgend jemand vergasen,
     erschießen, umlegen oder mindestens verprügeln wollte, und – eine herbe Enttäuschung – ein

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