Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)
unfreundlicher Empfang an der Klosterpforte
in Gerselen, wo man ihn barsch und wortkarg durch eine mürrische ältere Nonne abwies mit den ihm unbegreiflichen Worten: »Wir
haben von Journalisten die Nase voll!« Immerhin blieb ihm als Trost ein Gang um die Klostermauern (Gesamtlänge im Quadrat
etwa fünfhundert Meter), es blieb ihm der Anblick des Rheins, Dorfkirche geschlossen (hier hatten jene Ministranten gedient,
die sich einst bis zum Entzücken an Margrets Haut erfreut hatten). Hier hatte Leni gelebt, hier war Haruspica beerdigt, ausgebuddelt,
wieder beerdigt, noch einmal ausgebuddelt, kremiert worden – und nirgendwo, nirgendwo eine Lücke in der Klostermauer! Blieb
nur der Dorfgasthof, in dem es keineswegs so friedlich still und schläfrig zuging wie in Alfred Bullhorsts Heimat. Nein, hier
war es laut, wurde der Verf. mißtrauisch beguckt, hier gewahrte er ortsfremde Individuen einer unverkennbaren Kategorie: Tatsächlich
Journalisten, die ihn, als er am Tresen den Wirt nach einem Zimmer fragte, wie ein höhnischer Chor ergänzten. »In Gerselen
ein Zimmer, und das heute, und außerdem« – mit gesteigertem |405| Hohn nun – »vielleicht sogar noch ein Zimmer mit Blick in den Klostergarten – wie?« Und als er in naiver Bejahung daraufhin
tatsächlich nickte, ging ein wahres Gröhlen an. Ein Hahaha und Hohoho modisch gekleideter Männer und Frauen, die ihn, da er
auf weitere Scheinfreundlichkeit hereinfiel und die Frage bejahte, er wolle unbedingt in den verschneiten Klostergarten blikken,
endgültig in die Reihe der Doofen aufnahmen, nun netter wurden und – während der Wirt eingoß und zapfte, zapfte und eingoß
– aufklärten: wußte er denn nicht, wovon alle Welt sprach? – daß im Klostergarten eine Thermalquelle entdeckt worden war,
die einen alten Rosenbusch zum Blühen gebracht; daß die Schwestern, sich auf die Befugnis über ihr Territorium berufend, die
entsprechende Stelle mit Stellwänden eigenhändig abgesichert; daß man den Zugang zum Kirchturm versperrt, in die benachbarte
Universitätsstadt (genau jene, in der B. H. T. seine Tête-à-tête mit Haruspica gehabt! Der Verf.) geschickt habe, um bei einem
Abbruchunternehmen eine ausfahrbare Leiter von fünfundzwanzig Metern Reichweite auszuleihen, um »den Nonnen in ihren Kochpott
zu gucken«. Nun umringten sie alle den Verf., der selbst nicht mehr wußte, ob und wie naiv er war – die Leute von UPI, von
dpa, von AFP, und sogar ein Vertreter von Novosti war gekommen, der gemeinsam mit einem CTK-Vertreter entschlossen war, »dem
klerikalen Faschismus die Maske vom Gesicht zu reißen und diese Wahlmanipulation der CDU zu entlarven. Wissen Sie«, fuhr der
ansonsten liebenswürdige Novosti-Vertreter, dem Verf. ein Bier reichend, fort: »In Italien weinen die Madonnen, wenn gewählt
wird, neuerdings entspringen in der BRD in Klostergärten Thermalquellen, wachsen Rosen, wo Nonnen beerdigt wurden, die, wie
man uns vorzumachen versucht, seinerzeit bei der Besetzung Ostpreußens vergewaltigt worden sein sollen. Jedenfalls wird |406| behauptet, die Sache habe irgendeinen Zusammenhang mit einer Kommunistenaffäre, und was können Kommunisten Nonnen anderes
angetan haben, als sie zu vergewaltigen?« Der Verf., besser informiert als die meisten Anwesenden, der vor fünf Stunden noch
mit dem Blick auf Rom eine Wange geküßt hatte, die alles andere als pergamenthäutig war, entschloß sich, zu kapitulieren und
die Zeitungsberichte abzuwarten. Es war aussichtslos, hier noch Wahrheitsfindung zu betreiben. Hatte man tatsächlich Leni
auf eine verdrehte Weise in die story gemixt, hatte sich Haruspica in Wärme verwandelt? Er verließ das Lokal, hörte noch, bevor er die Tür schloß, daß eine der
anwesenden Journalistinnen mit höhnischer Stimme das Lied anstimmte: »Es ist ein Ros entsprungen ...«
Am nächsten Tag schon, in der Morgenausgabe der Zeitung, die er schon einmal zitiert hat, fand er einen »abschließenden Bericht«:
»Es hat sich herausgestellt, daß jenes merkwürdige Ereignis, das lediglich von der Ostpresse höhnisch als das ›Rosenthermalwunder
von Gerselen‹ bezeichnet worden ist, auf natürliche Ursachen zurückzuführen ist. Wie schon der Ortsname beweist, in dem sich
das germanische Wort Geysir verbirgt (Geysirenheim mag Gerselen einmal geheißen haben), hat Gerselen schon im 4. Jh. p. C.
warme Quellen gehabt, weswegen es auch vorübergehend im 8. Jh. eine
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