Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)
worden. Als uneheliche Mutter, allein auf dem kleinen
Hof, den sie wieder hochgebracht habe, habe sie es nicht leicht gehabt, doch habe die »Zeit Wunden geheilt«, sie habe ihren
Sohn aufgezogen, er habe mit Erfolg die Schule besucht, sei Landwirt geworden. Immerhin habe er gehabt, was viele Jungens
nicht hatten, das Grab seines Vaters in der Nähe. Sie, Frau Zw., habe »schon« (!!) 1948 versucht, Frau K. zu finden, habe
es dann »schon« (!!) 1952 noch einmal versucht, dann die Sache als hoffnungslos drangegeben, auch ein nächster Versuch im
Jahre 1960 (!!) sei gescheitert. Allerdings habe |482| sie auch dann noch nicht gewußt, daß auch Erich K. unehelich sei, sie habe auch den Vornamen und den Beruf seiner Mutter nicht
gewußt. Endlich, vor etwa einem halben Jahr, habe sie mit Hilfe eines Düngemittelvertreters, der die Sache liebenswürdigerweise
energisch in die Hand genommen habe, die Adresse von Frau K. erfahren, aber noch gezögert, da sie ja nicht gewußt habe, wie
»sie es aufnehmen wird«. Schließlich habe der Junge gedrängt, man sei in die Stadt gefahren, habe Frau K.s Wohnung gefunden,
diese aber sei auch nach längerem und wiederholtem Klopfen nicht geöffnet worden. Erkundigungen in der Nachbarschaft (eben
hier spielte die Dame mit den Lockenwicklern eine erhebliche Rolle, auch der winselnde Hund etc. – das alles ist nun einer
schnöden Bilderstürmerei zum Opfer gefallen, die der Liturgiereform gleicht!!) hätten ergeben, daß Frau K. unmöglich verreist
sein könne, auch nie verreist gewesen sei. Kurz: sie, Frau Zw., »ahne Schlimmes«.
2) Wülffen geriet in Konflikt. War hier »Gefahr im Verzuge«, die einzige legale Möglichkeit, Frau K.s Wohnung gewaltsam öffnen
zu lassen? Er konnte schließlich, mit Frau Zw. und deren Sohn inzwischen in der Nurgheimer Str. Nr. 5 angelangt, feststellen,
daß Frau K. seit einer Woche nicht gesehen worden war. Ein Nachbar (nicht der brustbehaarte, sondern ein als Trunkenbold bekannter
Rentner rheinischer Herkunft, der von Frau K. als »et Ils« sprach – gestrichen!) glaubte drei Tage lang deren Vogel »elend
piepsen gehört zu haben«. Wülffen entschloß sich, nicht, weil er den Terminus »Gefahr im Verzug« für anwendbar hielt, lediglich
aus Mitleid, die Wohnung öffnen zu lassen. Zum Glück fand sich, ebenfalls in der Nachbarschaft, ein jugendlicher Mensch (mit
so blassen Worten wird hier eine interessante Persönlichkeit, die vier- bis fünfmal wegen Körperverletzung, Zuhälterei, Einbruch
vorbestraft und allen Anwohnern als »Kröckes-Hein« |483| bekannt war, abgetan, ein Mensch, den sogar der Polizeiwachtmeister Dieter Wülffen als »mit wildwachsendem, fettigem, dichtem,
langem braunem Haar und wohlbekannt« beschrieben hat), der mit verdächtiger Geschicklichkeit und den vielsagenden Worten »Diesmal
tu ichs für die Polizei« die Wohnung öffnete.
3) Frau K. wurde tot, durch Schlaftabletten vergiftet, völlig bekleidet auf ihrer Küchenbank gefunden. Verwesung war noch
nicht eingetreten. Sie hatte lediglich (!!, der Verf.) mit einem Rest Tomatenketchup, den sie offenbar mit den Fingern aufgetragen
hatte, das Verb »wollen« in verschiedenen Formen auf einen alten Spiegel geschrieben, der über ihrem Küchenbecken hing. »Ich
will nicht mehr. Ich wollte nicht mehr. Ich hatte schon lange nicht mehr gew. ..« Hier war ihr offenbar der Ketchup ausgegangen.
Der tote Vogel, ein Wellensittich, wurde im angrenzenden Schlafzimmer unter einer Kommode gefunden.
4) Dieter Wülffen gab zu, Frau K. sei polizeinotorisch gewesen. Man habe – durch das K. 14 – gewußt, daß sie Kommunistin gewesen,
aber seit 1932 nicht mehr politisch aktiv gewesen sei, obwohl sie – auch das sei polizeinotorisch – mehrmals, besonders in
der Zeit nach dem Verbot der KPD, Besuch gehabt habe, der sie zur Aktivität aufgefordert habe. (Hier hatte K. den vollen Namen
von »Fritz« niedergeschrieben, der diesmal dem Rotstift des Verf. zum Opfer fiel.)
5) Frau Zw. und ihr Sohn machten Erbansprüche geltend. Dieter W. stellte eine Geldbörse mit 15,80 DM sicher sowie ein Sparbuch
über 67,50 DM. Als einzig erkennbarer Wertgegenstand wurde ein fast neuer Schwarzweiß-Fernsehapparat sichergestellt, auf den
Frau K. einen Zettel geklebt hatte: »Ganz abgestottert«. Auf einem Foto, das gerahmt über der Küchenbank hing, erkannte Frau
Zw. den Vater ihres Kindes, Erich K. Ein zweites Foto zeigte |484| »wahrscheinlich
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