Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)

und zu einmal befreien, um über die nächtlichen Hügel zu schweben oder ein paar Teenagern Angst einzujagen. Aber nun würde es wirklich erwachen, sich von den unsichtbaren Ketten losreißen, die es an die Vergangenheit banden.
    Archer sagte, die rote Kirche müsse gefüttert werden, also sollte sie gefüttert werden. Der Saft dieser armseligen Seelen sollte die Bodenbretter tränken. Diese Kirche sollte all ihr menschliches Blut und ihren Schweiß und ihre Sünden aufsaugen. Sie sollten für die letzte Reise gereinigt werden. Weil Archer es so bestimmte.
    In ihrem Augenwinkel erschien eine Träne. Jim stand still und nahm ihre Hand, weil er dachte, dass sie Angst hatte oder schwermütig war. Nein, sie war voller Freude , dankbar darüber, dass sie in die Kirche humpeln durfte, auch wenn diese von den Sünden ihrer Vorfahren befleckt war. Auch unter Schmerzen und steif, mit Knochen, die so zerbrechlich waren wie Kreide, und Blutgefäßen so dünn wie Flachsfäden, auch mit Augen, die kaum mehr Tag von Nacht und Feuer von Eis unterscheiden konnten, auch mit all der Last von mehr als achtzig Jahren, die ihren Rücken krümmte, würde sie stolz vor dem Altar stehen.
    Hier konnte sie sich überantworten. In diesem kranken Gotteshaus konnte sie ihr Fleisch und Blut aufgeben.
     
    Frank Littlefield blickte sich im Motelzimmer um. Sheila wirkte benommen, ihre Augen waren weit aufgerissen, die Pupillen unnatürlich groß. Archer McFall saß auf dem Bett wie ein geduldiger König, der sich herabließ, Huldigung von einem unbedeutenden Untertanen zu empfangen.
    »Haben Sie etwas von David Day erfahren?«, fragte Storie, obwohl es ihr, dem Ton ihrer Stimme nach zu urteilen, völlig gleichgültig war.
    »Er hat mich mit einer Waffe bedroht, aber wohl nur, um Eindruck zu schinden«, sagte Frank. »Er ist verrückt, aber es ist nicht die Art von Verrücktheit, die drei Menschen umbringt.«
    »David Day?«, fragte Archer. »Ich glaube, seine Frau ist ein Mitglied der Gemeinde.«
    »Linda«, sagte Frank. »Und wenn ich mich richtig erinnere, war sie eine von denen, die mit Ihnen nach Kalifornien gegangen ist.«
    Archer blickte von Frank zu Sheila und dann wieder zu Frank. »Kalifornien hat nichts mit dem zu tun, was hier passiert. Darüber müssen Sie sich keine Gedanken machen. Wir sind jetzt alle zu Hause und das zählt. Wir erfüllen alle Gottes Plan.«
    »Gottes Plan«, wiederholte Frank. »Gottes Plan hat dafür gesorgt, dass drei unschuldige Menschen gestorben sind, vorausgesetzt, dass es Gott ist, der die Strippen zieht.«
    »Niemand ist unschuldig«, sagte Archer. »Und Gott zieht keine Strippen.«
    »Klar«, sagte Frank. »Ganz vergessen. Sie ziehen sie.«
    »Haben Sie mit meiner Mutter gesprochen?« Archer lächelte. Schatten bewegten sich in seinen Mundwinkeln, oder vielleicht waren es Würmer, die zwischen seinen Lippen hervorkrochen.
    Frank blinzelte, um sich der Illusion zu entledigen. »Oh, nein, Mr. McFall. Dazu muss ich nicht mit Ihrer Mutter sprechen. Denn auf dem Weg hierher habe ich mich an eine Nacht vor langer Zeit erinnert, als wir beide noch jünger und, vermute ich, unschuldiger waren.«
    »Niemand ist unschuldig«, wiederholte Archer.
    »Samuel war es«, sagte Frank.
    »Was hat Ihr Bruder damit zu tun?«, fragte Sheila mit einem Zögern in der Stimme. Sie hob eine Hand zum Kopf, dann rieb sie ihr Gesicht, als wollte sie den Schlaf verscheuchen.
    »Diese Halloween-Nacht bei der roten Kirche«, sagte Frank schnell. Sein Puls schlug schneller, sein Gesicht erwärmte sich. Sein Magen verkrampfte sich um einen Sack mit heißen Nägeln.
    Archers Augen weiteten sich aus Interesse. Der Rest seines Gesichts blieb unbewegt und gleichgültig, seine Hände lagen in seinem Schoß. Als ob er ein Insekt in einem Konservenglas beobachtete, gespannt darauf, was es als Nächstes tun würde. »Halloween? Es gab so viele Halloweens.«
    »Als Samuel in den Glockenturm hochstieg, erschien etwas hinter ihm. Ein Schatten. Nur, dass der Schatten lachte.« Frank ballte seine Hände zu Fäusten.
    »Bitte, Sheriff, nicht schon wieder diese Gespenstergeschichte«, sagte Sheila. Sie schien sich von ihrer Benommenheit erholt zu haben und befürchtete wahrscheinlich, dass Frank sich in der Öffentlichkeit lächerlich machte. Vielleicht dachte sie, dass Frank seine Polizeikarriere aufs Spiel setzte, vielleicht sogar seine ganze Zukunft in Pickett County. Aber in diesem Augenblick dachte Frank nicht an die Zukunft. Er dachte an die