Guardian Angelinos (03) – Sekunden der Angst
Moment bedeutete das, das Geheimnis zu knacken, das dieser Schlüssel in sich barg.
Der Schrecken der vergangenen Nacht hatte auf Cara eine ernüchternde Wirkung gehabt. Auf ihre Schwester leider genau das Gegenteil. Nachmittags war Marissa weggefahren, um ein paar Besorgungen für sie zu machen, Joellen war wieder breit, und Cara blickte allein auf den Strand im Abendlicht.
Aber war sie wirklich allein?
Oder lauerte einer von Romans Schergen hinter der nächsten Ecke und wartete darauf, einen Mord zu arrangieren, der wie ein Unfall aussah?
Was war mit dem Fön? Tod durch einen Stromschlag in der Badewanne? War das wirklich ein blöder Unfall gewesen? Oder eine Art Vergeltung des Schicksals für ihre Missetaten?
Bei dem Gedanken an Roman, der Mann, von dem sie einmal komplett abhängig gewesen war, atmete sie scharf ein. Er hatte sie damals benutzt, ohne Zweifel. Aber jetzt befanden sie sich in einer anderen Art von Teufelskreis, und die einzige Möglichkeit, diesen zu durchbrechen, wäre, wenn Cara auspackte.
Oder einer von ihnen starb. Natürlich nicht sie.
Dieser Plan gefiel ihr, aber ein Mord war keine einfache Sache.
Mit den Fingern umklammerte Cara das verwitterte Holz des Geländers, sie hob das Gesicht der Meeresluft entgegen und atmete tief ein. Sie hatte einmal das Richtige getan.
Sie hatte auch schon ein paarmal das absolut Falsche getan.
Sie lauschte dem Tosen der Brandung, inhalierte den Duft von Salz und Tang. Sie musste das Wasser an ihren Füßen spüren, den Sand zwischen ihren Zehen. Mit einem raschen Blick über die Schulter vergewisserte sie sich, dass ihre Schwester noch unter der Dusche stand und sich für die zweite Saufrunde rüstete. Cara traf eine impulsive Entscheidung, schnappte sich einen hellen Pashmina-Schal von einer Stuhllehne und warf ihn über T-Shirt und Jeans.
In dem Moment, als ihre Sohlen den Sand am Fuß der Treppe berührten, fühlte sie sich glücklicher. Befreit. Lebendig.
Das Gesicht dem allmählich dunkler werdenden Himmel entgegengereckt, breitete sie die Arme weit aus, ließ die kühle Brise in ihren Haaren spielen.
Joellen würde ausflippen und wie eine Irre aus dem Haus geschossen kommen, wenn sie mich so sehen könnte,
fuhr es ihr durch den Kopf,
mutterseelenallein und völlig ungeschützt.
Aber besser als gefangen und verängstigt – Gott, sie wollte nicht so leben wie ihre Mutter. Aber solange Roman am Leben war, würde ihr gar nichts anderes übrig bleiben.
Als sie die erste Düne zum Meer hochstapfte, musste sie fast lachen vor freudiger Erregung. Dieser Teil des Strandes war total einsam, eine Meile in jede Richtung nichts als Sand und wogendes Dünengras, vor ihr die Weiten des Atlantiks. Das Wasser schimmerte metallisch grau, die untergehende Sonne malte pfirsichfarbene Streifen auf die schaumige Brandung.
Sie musste einen Fuß in das eisige Wasser setzen. Musste das Salz riechen und die Kälte auf ihrer Haut spüren. Sie blickte sich noch einmal zum Haus um, das halb hinter der Düne verborgen lag, sodass sie lediglich Obergeschoss und Dach wahrnahm.
Joellen würde einen Anfall kriegen, wenn sie aus der Dusche kam. Aber das war Cara egal.
Sicher, dass weit und breit niemand war, rannte sie zum Wasser, schwenkte im Kreis herum und wäre vor Euphorie beinahe über ihre eigenen Füße gestolpert. Ja, das war der traumhafte Nantucket Sound, der Küstenstreifen, den sie so liebte, sann sie voller Freude. Joellen hatte versucht, ihr zu verheimlichen, wo sie sich befanden, aber Cara kannte jedes Körnchen des weizenfarbenen Sandes auf diesen Inseln, und das hier war Martha’s Vineyard.
Der erste Spritzer war wie Eiswasser auf ihren Zehen, tränkte augenblicklich den Saum ihrer Jeans und entlockte ihrer Kehle einen kindlichen Schrei. Für eine kurze Weile stand sie einfach nur in der Brandung, beobachtete, wie die Wellen beim Zurückweichen rings um ihre Füße Vertiefungen in den Sand gruben, und japste jedes Mal nach Luft, wenn die nächste Eisflut gurgelnd über ihre Zehen und um ihre Fußgelenke schwappte.
Wieder breitete sie wie imaginäre Flügel die Arme aus, legte den Kopf ganz in den Nacken und schloss die Augen.
»Hübsch.«
Die Männerstimme ließ sie zusammenfahren, als hätte sie ein unter Strom stehendes Kabel berührt, und sie wirbelte so schnell herum, dass ihr Nacken leise knackte.
»Sie sehen aus, als würden Sie zur Göttin des Ozeans beten.«
Sie gewahrte einen hochgewachsenen, brutal und gefährlich anmutenden Mann und
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