Guardian Angelinos: Tödliche Vergangenheit (German Edition)
ihr Herz schlug so laut und heftig und schnell, dass sie kaum atmen konnte. Draußen war es nasskalt und dunkel.
»Laufen Sie.« Die Stimme kam aus einer Hecke, eine vertraute Stimme, die Stimme einer Frau. »Laufen Sie weg, bevor er Sie umbringt.«
Marie kauerte im Schatten eines Gebüschs. Die sonst so traurigen Augen der Haushälterin funkelten, ihr Gesicht wirkte ernst und entschlossen. Sharon wollte intuitiv nach ihr greifen, aber Marie zeigte weiter mit dem Finger auf den Weg. »Worauf warten Sie noch? Laufen Sie! Machen Sie schnell!«
»Marie, bitte, kommen Sie mit«, drängte Sharon und streckte die Hand nach der Frau aus.
Die Frau wich zurück, Bestürzung malte sich in ihrem sommersprossigen, irischen Gesicht. »Ich kann nicht!«
»Doch, Sie können. Wir können entkommen. Bevor sie schießen, bevor … Marie, Sie wissen, was passieren wird, oder? Eine Razzia, oder?«
Marie machte eine Handbewegung zur Straße hin. »Gehen Sie. Sie können hier raus.«
»Sie werden sich nicht um uns scheren«, beharrte Sharon. »Kommen Sie mit. Kommen Sie!« Sie griff wieder nach der Frau, aber Marie machte einen Satz nach hinten.
»Sie ist weg!«, rief jemand im Haus.
»Laufen Sie«, sagte Marie wieder. »Ich gebe Ihnen Deckung!«
Das Geräusch näher kommender Schritte beschleunigte Sharons Entscheidung. Okay, dann würde sie eben alleine gehen. Sie stürmte los, an den Büschen entlang, und nahm den Weg zum Friedhof. Nachts war er verschlossen, aber wenn sie es bis zu der Seite mit dem Tor schaffte, wo sie aufgegriffen worden war … Vielleicht war es …
Ein Schuss zerriss die Stille der Nacht, und eine Kugel traf direkt neben ihren Füßen auf dem Pflaster auf. Der nächste Schuss zerriss ihr nachgerade das Trommelfell und hätte sie um ein Haar getroffen.
Sie nahm die Beine in die Hand und hetzte keuchend weiter über die dunkle Straße, während ihr der kalte Wind um die Ohren pfiff.
Nicht lange und sie erreichte die dicken Büsche auf der einen Seite des ausgedehnten Friedhofsareals. Wenn sie es schaffte, hier reinzukommen, konnte sie zwischen Zigtausenden von Grabstätten untertauchen. Es gab Verstecke, wo sie warten konnte, bis das hier vorbei war.
Wo sie auf die junge Frau warten konnte, die bestimmt kommen würde, um ihrer Mutter zu helfen, der sie nie wirklich begegnet war. Das musste der Grund sein, warum Devyn den Atlantik überquert hatte – der Wunsch nach einer Verbindung. Wenn er stark genug war, würde sie kommen.
Sie schlug sich ins Gebüsch, traf auf die Mauer dahinter und zerkratzte sich die Hände an den rauen Backsteinen. Konnte sie darüberklettern? Wenn es ihr glückte, die Mauer zu überwinden und in den verwilderten Bereich des Friedhofs zu gelangen, sann sie fieberhaft, dann hatte sie gute Chancen, in den dichten Brombeerranken und dem üppig wuchernden Gesträuch unentdeckt zu bleiben.
Sie setzte einen Sportschuh auf den ersten Stein und ignorierte die Schmerzen in ihren Beinen, als sie versuchte, sich hochzuziehen. Los, du musst es schaffen, spornte sie sich selber an. Ihre Finger ertasteten die Oberseite der Mauer, und sie schaffte es mit einer ungeheuren Kraftanstrengung, ihren ganzen Körper hinaufzustemmen.
Sie setzte das rechte Bein nach, brachte ihre Wade über die Mauer und blieb fatalerweise mit der Kleidung an dem bröcklig ausgezackten Mauerwerk hängen. Ihr linker Fuß rutschte ab, der Stein bohrte sich tiefer in ihren rechten Oberschenkel und zerriss ihr die Hose. Zum Glück blieb es bei ein paar oberflächlichen Hautabschürfungen.
Ein Schuss ertönte, und die Kugel flog dicht an ihrem Kopf vorbei. Gütiger Himmel, sie hatten sie bestimmt entdeckt. Die nächsten Sekunden, rauschte es ihr durch den Kopf, konnten über Leben und Tod entscheiden.
Mit zusammengebissenen Kiefern ein Stöhnen unterdrückend, zog sie ihren Körper nach oben und saß schließlich rittlings auf der Mauer, eine optimale Zielscheibe für den Schützen. Sie duckte sich, wie um mit der Dunkelheit zu verschmelzen, und brachte ihr anderes Bein angehockt auf den Mauerrand. Sie balancierte auf den Händen, unschlüssig, ob sie auf die andere Seite springen sollte, als ein weiterer Schuss die Nacht durchschnitt. Getrieben von Furcht und Entsetzen drückte sie sich von der Mauer ab und wagte den Sprung ins Ungewisse.
Mit einem dumpfen Aufprall kam sie auf dem Boden auf. Ihre Zähne knackten unheilvoll und sie krümmte sich vor Schmerz. Starr vor Angst rang sie nach Atem und lauschte auf den
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