Guardians of Eternity 10 - Gefaehrtin der Ewigkeit
werden wieder eine Familie sein.«
Santiago unterdrückte ein ungeduldiges Knurren. Offenbar ging der Wahnsinn seines Erzeugers darüber hinaus, nur zu glauben, seine Gefährtin verstecke sich in der Nähe, wenn er tatsächlich annahm, Santiago würde ihn je als Teil seiner Familie betrachten.
»Und aus diesem Grund hast du Tonya entführt?«, bellte er.
Gaius warf der zitternden Koboldin einen Blick über die Schulter zu. »Teilweise.«
»Und worin besteht der andere Teil?«
Ein langes Schweigen folgte, bevor Gaius sich wieder zu ihm umwandte. Beinahe so, als müsste er überlegen, wie viel er gestehen sollte.
»Dara schwebt in Gefahr«, sagte er schließlich.
Santiago machte sich nicht die Mühe zu erklären, dass sich Dara unmöglich in Gefahr befinden konnte. Er konnte nur hoffen, dass sie irgendwann noch auf Tonyas Entführung zu sprechen kamen.
»Wer bedroht sie denn?«
»Die Orakel.«
Santiago erstarrte. Spürte Gaius einfach nur, dass die Kommission ihn jagte? Oder flüsterte ihm jemand – oder etwas – ins Ohr, dass die mächtigen Orakel eine Gefahr für seine tote Gefährtin darstellten?
Bedachtsam wählte er seine Worte aus. »Weshalb sollten sie für Dara eine Bedrohung sein?«
»Weil sie …«
»Gaius?«
»Weil sie eigentlich überhaupt nicht hier sein sollte«, flüsterte Gaius mit gedämpfter Stimme. Er schien zu befürchten, dass seine Äußerung belauscht würde. »Das ist alles, was ich weiß.«
Santiago blickte den anderen Vampir forschend an und bemerkte dessen verhärmte Züge sowie die dunklen Ringe unter seinen Augen. Trotz der Blutflecken im Gesicht, die von einer erst kürzlich stattgefundenen wilden Nahrungsaufnahme zeugten, wirkte er wie ein Mann, der seit Wochen, wenn nicht sogar Monaten, gehungert hatte.
Mit Gaius stimmte vieles nicht. Seine fehlende Zurechnungsfähigkeit war nur eine von vielen Unstimmigkeiten.
»Was willst du von mir?«
Gaius streckte erneut die Hand aus. »Deine Vergebung.«
Santiago verschränkte ganz bewusst die Arme vor der Brust. Er konnte Gaius keine Absolution erteilen, nicht einmal, um im Austausch dafür die gewünschten Auskünfte zu erhalten.
»Du hast Tonya doch nicht um meiner Vergebung willen entführt«, betonte er. Seine eiskalte Stimme ließ Gaius die Hand senken – ein Zeichen der Niederlage.
»Du bist mein Sohn«, murmelte er.
»Wenn du derart auf eine Versöhnung bedacht wärest, hättest du Kontakt zu mir aufgenommen, als du zum ersten Mal von der anderen Seite des Schleiers zurückgekehrt warst«, rief Santiago seinem Erzeuger ins Gedächtnis. »Jetzt sage mir endlich, was du wirklich willst.«
Gaius zog eine Schulter hoch. »Du wirst noch lernen, mir zu glauben.«
»Na schön.« Santiago, der der beharrlichen Beteuerungen des anderen Vampirs, sein ehemaliger Sohn bedeute ihm irgendetwas, überdrüssig war, forderte ihn nun auf, Farbe zu bekennen. »Wenn du meine Vergebung willst, dann lass Tonya frei.«
Erwartungsgemäß schüttelte Gaius den Kopf, während er mit der Hand an der Manschette seines dunklen Seidenhemdes zupfte. Er schien nicht zu bemerken, dass der Stoff verschlissen und mit Staub bedeckt war. Noch ein weiterer Hinweis darauf, dass dieser Vampir nicht bei Sinnen war.
»Das kann ich nicht tun. Noch nicht.«
»Weshalb?«
»Wir müssen …« Irgendetwas bewegte sich in Gaius’ dunklen Augen. Etwas Unermessliches und – Bewusstes. Wie eine große Bestie, die sich in der Finsternis verbarg und nur darauf wartete, sich auf ihn zu stürzen. »Da gibt es ein Buch.«
Santiagos Muskeln spannten sich an, und heftige Angst durchzuckte ihn.
Verdammt.
Er hatte sich nicht geirrt. Da befand sich etwas in Gaius. Es kontrollierte ihn, ohne dass der ältere Vampir sich dieser Kreatur überhaupt bewusst war.
War dies der Geist, den die Orakel jagten? Der angebliche Schöpfer der Vampire?
Und wenn das tatsächlich der Fall war – was zum Teufel sollte er dann unternehmen?
Im Augenblick zog das Wesen es offenbar vor, seine Präsenz geheim zu halten. Und Santiago gab nur zu gerne vor, keine Notiz von der fürchterlichen Kreatur genommen zu haben.
Zumindest so lange, bis er wusste, was genau sie von ihm wollte.
»Was für ein Buch?«, fragte er und gab den unrealistischen Plan, sich einfach Tonya zu schnappen und mit ihr zu fliehen, auf.
Im Moment war er sich nicht sicher, ob überhaupt irgendjemand von ihnen den Keller lebendig verlassen würde.
Oder bei geistiger Gesundheit.
»Ein Zauberbuch«, sagte Gaius,
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