Gucci, Glamour Und Champagner
dass du recht hast«, gab ich zu.
»Ach nee«, schnaubte Jenny ins Telefon. Schon erstaunlich, wie jemand gleichzeitig und gleichermaßen hilfsbereit und unausstehlich sein konnte.
»Es gibt dabei nur ein kleines Problem«, sagte ich, als ich endlich beschloss, die Zugtoilette zu verlassen. Es war recht widerlich da drinnen. Was jedoch den fünf wirklich sehr, sehr ungehalten dreinblickenden Menschen, die davor Schlange standen, nichts ausmachen dürfte. Ein Segen, dass sie nicht die Tür eingetreten hatten. Waren sicherlich Engländer. »Was das Einfach-zum-Hotel-zurückgehen angeht.«
»Wo bist du denn?«, fragte Jenny über die nunmehr knisternde Leitung. »Du bist immer wieder mal weg. Verdammt schlechte Verbindung in Paris.«
»Ich bin in einem Zug«, sagte ich und schwankte durch den Gang zurück zu Sasha und Tania, die wie Tigger auf ihren Sitzen auf und ab hüpften. Wenn Tigger während der letzten Stunde Vitaminwasser getrunken und Gummibärchen gegessen hätte. »Ich glaube, wir fahren jetzt in den Tunnel ein.«
»Sag jetzt, dass du auf dem Weg zum Festival bist, Angela«, meinte Jenny mit einem drohenden Unterton. »Sag es.«
»Also nein. Bin ich nicht. Ich bin ein wenig ausgerastet, und, äh, ich bin auf dem Weg nach London«, gab ich zu und drückte dabei meine Stirn gegen die Gepäckablage aus Metall, die mitten im Abteil stand. Der Schrei, der durch die Leitung drang, war meinen Kopfschmerzen wenig förderlich.
»Du bist was?«, kreischte Jenny. »Verlass auf der Stelle den Zug, Angela Clark. Ich glaub es nicht.«
»Aber ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun sollen.« Ich versuchte mit leiser Stimme zu sprechen, aber es war nicht leicht. »Ich habe gedacht, dass Alex mich betrügt, du nicht mehr mit mir reden willst, ich womöglich meinen Job verliere – da ist es mir einfacher erschienen, nach Hause zu fahren, als nach New York zurückzukehren, um dort sitzengelassen, gewaltsam vertrieben und ausgewiesen zu werden. Was hättest du getan?«
»Du verdammter Volltrottel«, stöhnte Jenny. »Müssen wir von nun an tatsächlich einen täglichen Anruf vereinbaren, damit ich sichergehen kann, dass du nicht irgendetwas äußerst Blödsinniges unternimmst?«
»Ja«, gab ich achselzuckend zu. Mein Leben würde dadurch jedenfalls einfacher.
»Warum gehst du immer vom Schlimmsten aus, Angie?« Ich sah fast vor mir, wie sie den Kopf schüttelte. »Warum fährst du dorthin?«
Ich biss mir auf die Lippe. »Weil ich nicht wusste, wohin ich sonst sollte, dachte ich mir, fahr nach Hause. Das macht man doch so, oder?«
»Ja, aber London ist nicht mehr dein zu Hause, Angie«, wandte Jenny ein. »Oder?«
»Mir fiel nichts anderes ein«, wiederholte ich, leise diesmal und unter Tränen, die mir über die Wangen rollten. Ohne auf die hörbare Ungeduld der Zwillingsschwestern einzugehen, kehrte ich ihnen den Rücken zu.
»Es tut mir so leid, Angie«, sagte Jenny. »Ganz im Ernst, ich fühle mich schuldig. Ich war nicht für dich da, als du mich gebraucht hast.«
»Nicht doch, Jenny.« Ich hatte einen Kloß im Hals. »Ich bin einfach ein Volltrottel. Ich bin wieder weggelaufen. Die Sache ist doch die, dass ich, wenn ich mit Alex auch wieder ins Reine komme, dennoch meinen Job verlieren kann. Ich bin womöglich im Moment in London besser aufgehoben.«
»Du erinnerst dich doch hoffentlich noch an meine Worte von eben dazu, dass du immer vom Schlimmsten ausgehst? Willst du denn wirklich zurück nach London?«
Ich biss mir auf die Lippe und dachte kurz darüber nach. Louisa, EastEnders , Fish & Chips. Ja. Mark, meine Mum, der Nachtbus Linie 77. Nein.
»Denn wenn du wirklich zurückgehen willst, aus tiefstem Herzen dich danach sehnst zurückzugehen, dann geh zurück«, fuhr sie fort. »Aber wenn du in New York bei Alex sein und als Autorin arbeiten möchtest, dann musst du diesmal darum kämpfen. Doch wenn du das wirklich willst, wird es die Sache wert sein.«
»O Gott, Jenny, ich weiß nicht, ich muss kurz nachdenken …«
»Hallo?« Es knackte noch ein, zwei Mal in der Leitung.
»Kannst du mich hören, Jenny?«, schrie ich ins Telefon, bis mir auffiel, dass die vorbeiziehende schöne Landschaft von tiefstem Schwarz abgelöst worden war. Wir befanden uns im Tunnel. Unter Flüchen, die für meine Umgebung ein wenig zu laut waren, kehrte ich zurück an meinen Platz.
»Es tut mir leid, wir wurden unterbrochen«, sagte ich und gab Tania das Telefon zurück, weil mir nicht mehr einfiel, welchem der
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