Gucci war gestern: Bekenntnisse einer eingebildeten Glamour-Queen, oder warum Sie nie mit Ihrer Pradatasche aufs Arbeitsamt gehen sollten (German Edition)
gebissen?«
»Na ja … Einmal auf der Highschool habe ich darauf bestanden, dass wir uns Susan … verzweifelt gesucht in voller Möchte-gern-Madonna-Montur anschauen.« Die arme Carol. Widerstrebend hat sie ihren Dr.-Pepper-Lipgloss von Bonne Belle gegen dicken Kohlkajal getauscht und ihre Segelschuhe gegen eine zerrissene Netzstrumpfhose. Und selbst als ich sie dann aus dem Sitz gerissen und auf den Gang geschleift habe, um mit mir zu »Get into the Groove« zu tanzen, hat sie sich nicht beklagt. Nicht mal, als ich sie beinahe mit meinem überdimensionalen Kreuz erstochen hätte. 110
»Ist das alles?«
»Nein. Außerdem hat sie mich zu den Treffen unseres Debattierclubs in ihrem Auto rumchauffiert und mich Queen-Elizabeth-mäßig aus dem Heckfenster winken lassen.«
»Und?«
»Einmal in meinem zweiten Studienjahr ist sie den ganzen Weg von der Indiana University hergekommen, um mich zu besuchen. Wir waren auf einer Party und haben ein paar Jungs von Alpha Sig kennengelernt. Am Ende habe ich mit dem Süßen mit den strubbeligen Haaren rumgeknutscht, während sie geduldig zuhörte, wie sein Zimmernachbar endlos über das musikalische Genie von Jethro Tull schwadronierte.« 111
»Mhm. Sonst noch was?«
»Ähm … Sie hat sich nicht über mich lustig gemacht, als ich mir in meinem ersten Jahr an der Uni einbildete, wie eine Figur aus einem Bret-Easton-Ellis-Roman leben zu müssen. 112
»Hast du ihre Hochzeit vergessen?«
Tatsächlich. An Carols Hochzeitstag – der einen Gelegenheit, zu der ich mich mal aus den ewigen Nebeln meines Narzissmus hätte kämpfen und für sie da sein sollen – musste Carol doch tatsächlich zu mir aufs Hotelzimmer kommen und mich eigenhändig zur Trauung scheuchen. Beim Zurechtmachen hatte ich überhaupt nicht mehr auf die Uhr geschaut, weshalb die Feier beinahe meinetwegen verschoben werden musste.
Wenn ich also so auf unser gemeinsames Leben zurückblicke, muss ich schmerzhaft einsehen, dass ich im großen Buch der Gefälligkeiten bedauernswerterweise tief in den Miesen stecke. Immer habe ich mehr genommen, als ich gegeben habe. Ich weiß gar nicht, ob ich eine Freundin wie Carol verdient habe. Weshalb ich mich widerstrebend geschlagen geben muss und murmele: »Schon gut, schon gut. Du hast mich überzeugt. Ich mache es.«
16:46 Uhr von allesueberjen: Bin dabei. Details, bitte.
16:48 Uhr von carol_und_pete: Danke, Du bist unsere letzte Rettung! Also, Du musst morgen irgendwann zwischen acht Uhr morgens und 18 Uhr abends Petes Laufpaket bei der Gesundheits- und Fitnessmesse abholen, die vor dem Marathon im Messezentrum stattfindet. Unter anderem enthält das Paket den Mikrochip, den Pete beim Rennen tragen muss, um die Zeit zu messen. Er braucht die Sachen unbedingt vor dem Lauf. Du musst den Chip aktivieren lassen und sein T-Shirt abholen, aber das dürfte kein größeres Problem sein.
16:50 Uhr von allesueberjen: Unfassbar, dass jemand freiwillig 42,5 km läuft. Manchmal sitze ich sogar mit zusammengekniffenen Beinen auf der Couch, weil ich zu faul bin, aufs Klo zu gehen.
16:51 von carol_und_pete: Ja, und ich weiß auch noch, dass Du mehr als einmal ins Schwimmbecken gepinkelt hast. Ferkel. Was das Laufen angeht, Pete wird dieses Jahr 40, also könnte es so was Midlifemäßiges sein. Mir soll’s recht sein – einen Marathon zu laufen ist mir jedenfalls wesentlich lieber als eine Affäre mit einer Blondine oder ein Sportwagen, den wir uns nicht leisten können.
16:52 Uhr von allesueberjen: Da sagst Du was. Bis zum Wochenende!
Zum Messezentrum und zurück sind es von unserer Wohnung aus etwa zehn Meilen, was heißt, dass die ganze Fahrt nicht mal die Hälfte der Strecke ist, die Pete am Sonntag laufen will. Wie schlimm kann das schon sein? In einer Stunde läuft Trading Spaces im Fernsehen, diese Sendung, bei der Nachbarn jeweils die Wohnung des anderen komplett renovieren und umgestalten. Im Kopf überschlage ich, dass es ungefähr eine Viertelstunde dauern müsste, bis ich da bin, dann zehn Minuten, um die Sachen abzuholen, und dann noch mal fünfzehn Minuten zurück, und zack, schon bin ich wieder zuhause und kann mir anschauen, wie der schnuckelige Ty mit nacktem Oberkörper ein Bücherregal zusammenbaut. Eigentlich wollte ich schon früher los, aber dann musste ich leider eine besonders schmierige Folge von elimiDATE anschauen, dieser Dating-Show, bei der ein Kandidat aus vier Anwärtern den aussucht, mit dem er oder sie nachher zu einem
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