Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Titel: Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
Vom Netzwerk:
kraftlos die Schultern hängen; daran merkte ich, wie angespannt sie vorher gewesen waren.
    »Mindestens vierzig oder fünfzig Millionen Lire. Wenn wir für die Verteidigung Ermittlungen anstellen müssten – und in diesem Fall müssten wir es wahrscheinlich – noch viel mehr.«
    Abdou wirkte wie betäubt. Er schluckte mühsam und schien etwas sagen zu wollen, brachte es aber nicht heraus. Dann begab er sich auf Gedankengänge, denen ich nicht folgen konnte. Er sah nach oben, schüttelte den Kopf und bewegte dann stumm die Lippen, als murmle er eine mysteriöse Litanei.
    Am Ende vergrub er das Gesicht in den Händen, rieb es sich zwei-, dreimal und ließ die Hände wieder sinken. Danach sah er mich wortlos an.
    Ich hatte ein unerträgliches Brummen im Kopf und redete, um es zum Verstummen zu bringen.
    Wir mussten ja nicht unbedingt alles an diesem Morgen entscheiden. Bis zur Vorverhandlung war es noch ein Monat, erst dann würden wir gegebenenfalls ein Schnellverfahren beantragen müssen. Außerdem mussten wir noch mit Abadschadsche sprechen. Das Geld war das geringste Problem. Ich würde noch einmal genau die Akten studieren, vielleicht entdeckte ich ja doch noch etwas, was uns weiterbrachte. Jetzt musste ich gehen, aber wir würden uns bald wieder sehen. Wenn er etwas brauchte, sollte er es mich wissen lassen, auch per Telegramm.
    Abdou brachte keinen Laut über die Lippen. Als ich ihn zum Abschied an der Schulter berührte, spürte ich einen völlig kraftlosen Körper.
    Ich rannte fast weg, floh vor seinen Geistern. Und vor meinen eigenen.

7
    A ls ich am darauf folgenden Morgen das Haus verließ, stand ein Möbelwagen vor der Tür. Offensichtlich zogen neue Mieter bei uns ein. Ich notierte die Sache im Geiste und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass es bloß keine Familie mit einem kläffenden Spitz und schreienden Kindern sein möge. Dann ging ich zu anderem über.
    An diesem Tag sollte der Prozess beginnen, den die Presse Dog fighting betitelt hatte.
    Genau genommen war es gar nicht die Presse gewesen, sondern die Polizei, die unter diesem Kodenamen vor rund zehn Monaten eine Operation durchgeführt hatte, bei der es um Hundekämpfe und damit verbundene illegale Wettgeschäfte ging. Die Presse hatte später lediglich den Kodenamen übernommen.
    Alles hatte mit einer Anzeige der Tierversuchsgegner begonnen, die nur deshalb nicht im Papierkorb gelandet war, weil man einen ganz hervorragenden Polizisten mit der Sache betraut hatte: Inspektor Carmelo Tancredi.
    Inspektor Tancredi war es gelungen, sich in die illegalen Kreise einzuschleusen, bei mehreren Hundekämpfen dabei zu sein, sie auf Tonband aufzunehmen und schließlich die Züchter zu identifizieren und ihre Zwinger ausfindig zu machen; außerdem hatte er genau notiert, wo und wie die Wetten abgeschlossen wurden. Kurz, er hatte das ganze Pack festgenagelt.
    Tancredi war ein Mann mit hagerem Gesicht und einem buschigen schwarzen Schnurrbart, der überhaupt nicht zu ihm passte. Wer ihn nicht kannte, hätte ihn für den harmlosesten Menschen der Welt gehalten.
    Stattdessen war er der intelligenteste, ehrlichste und härteste Bulle, dem ich je begegnet bin.
    Er arbeitete bei der Einsatztruppe der sechsten Abteilung , dem Dezernat, das sich mit Sexualdelikten und dem ganzen Dreck befasste, mit dem die anderen – wichtigeren – Dezernate – nichts zu tun haben wollten.
    Und er war standhaft auf diesem Posten geblieben, obwohl man ihm mehr als einmal angeboten hatte, zur Kripo oder zur DIA oder gar zum Geheimdienst überzuwechseln. Alles Stellen, auf denen er weniger gearbeitet hätte und besser bezahlt worden wäre.
    Einmal waren die Eltern eines neunjährigen Jungen zu mir gekommen, der von seinem Schwimmlehrer sexuell missbraucht worden war. Sie wollten einen Rat, ob sie Anzeige erstatten sollten oder nicht, was das für Folgen hätte, für sie und vor allem für das Kind. Ich begleitete sie zu Tancredi und sah, wie er mit dem Jungen sprach und wie der Junge – der bis zu diesem Moment nur einsilbig und mit niedergeschlagenen Augen geantwortet hatte – wie dieser Junge mit Tancredi sprach, ihn ansah und sogar zu lächeln begann.
    Der Schwimmlehrer war im Knast gelandet und vor allem drin geblieben , wie auch die Mehrzahl der Sexualverbrecher, Vergewaltiger und Kinderschänder, die das Pech gehabt hatten, an Inspektor Tancredi zu geraten.
    Auch die Organisatoren der Hundekämpfe hatten Pech gehabt.
    Im Verlauf der Operation wurden acht Pitbulls, fünf

Weitere Kostenlose Bücher