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Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Titel: Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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denen die meisten auf den Bauch entfielen. Aus der Art, wie er in Stellung ging und sich auf den Angriff vorbereitete, schloss ich, dass er Linkshänder war. Tatsächlich holte er mit der Linken zu einem Schwinger aus, vermutlich sein bester Schlag, und im Falle eines Treffers hätte es tatsächlich übel für mich ausgesehen, doch der Typ bewegte sich wie in Zeitlupe. Ich wehrte seine Faust mit dem rechten Unterarm ab, versetzte ihm mit der Linken einen Leberhaken und setzte gleich noch einen Kinnhaken drauf.
    Der Stier hatte ein Kinn wie aus Glas. Er blieb noch einen Moment lang stehen und starrte mich verwundert an. Dann brach er zusammen.
    Ich widerstand der Versuchung, ihm ins Gesicht zu treten. Oder ihn zu beschimpfen, oder alle beide zu beschimpfen.
    Ich nahm meine Tasche und ging, während mein Blut in den Schläfen zu hämmern begann. Der Kleine hatte inzwischen aufgehört zu fluchen.
    Ich bog um die Ecke, ging noch einen Häuserblock weiter und blieb dann stehen. Sie folgten mir nicht. Niemand folgte mir, die Straße war leer – klar, die meisten Leute waren um diese Zeit beim Mittagessen. Ich stellte meine Aktentasche ab, hielt mir die Hände vors Gesicht und merkte, dass sie zitterten; die Rechte begann höllisch zu schmerzen.
    Ein paar Sekunden lang blieb ich so stehen, dann zuckte ich mit der Schulter, spürte, wie eine Art kindliches Lächeln auf meine Lippen trat, und setzte meinen Heimweg fort.

8
    A ls ich am nächsten Morgen zu meinem Auto kam, waren alle vier Reifen aufgeschlitzt und die Karosserie rundherum mit einem Messer oder einem Schraubenzieher zerkratzt.
    Stärker als meine Wut über den Schaden war das Gefühl der Demütigung. Ich fühlte mich wie jemand, der nach Hause kommt und das heillose Durcheinander nach einem Einbruch vorfindet. Daraufhin musste ich an all die Einbrecher denken, die ich vor Gericht verteidigt und denen ich das Gefängnis erspart hatte.
    Am Ende dachte ich, dass ich wahrscheinlich an Gehirnerweichung litt und langsam sentimental wurde. Also ließ ich die moralischen Spekulationen wieder sein und versuchte lieber, praktisch zu handeln.
    Als Erstes rief ich einen Klienten an, der in der Unterwelt von Bari und Provinz einen gewissen Ruf genoss. Er kam in meine Kanzlei, und ich erzählte ihm, was passiert war, einschließlich der Schlägerei. Ich sagte ihm, ich hätte keine Lust zur Polizei oder zu den Carabinieri zu gehen, aber sie dürften mich nicht dazu zwingen. Für meinen Teil seien wir quitt. Ich würde die Reparaturkosten für meinen Wagen übernehmen, wenn die beiden Typen – wer auch immer sie waren – die bezogenen Prügel wegsteckten und mich in Ruhe meiner Arbeit nachgehen ließen.
    Mein Klient sagte, ich hätte Recht. Er sagte auch, die beiden müssten mein Auto reparieren und mir neue Reifen besorgen. Ich sagte, ich würde mein Auto schon selbst reparieren lassen und wolle die Reifen nicht.
    Vor allem wollte ich vermeiden, wegen Hehlerei angezeigt zu werden, denn dass sie die Reifen nicht im Autofachhandel besorgen würden, war offensichtlich. Aber das sagte ich nicht laut.
    Ich wollte nur, dass jeder vor seiner eigenen Haustür kehre, sagte ich, und keiner dem andern auf den Schwanz trete. Er insistierte nicht länger und nickte zum Zeichen des Respekts. Es war allerdings nicht die Art von Respekt, die man einem Anwalt normalerweise zollt.
    Er meinte, er würde mir bis in zwei Tagen Bescheid geben.
    Er hielt Wort. Genau zwei Tage später kam er wieder in meine Kanzlei und nannte mir einen Namen, der in gewissen Kreisen sehr viel bedeutete. Diese Person ließ mir ausrichten, dass sie sich für den Zwischenfall entschuldige. Es habe sich um ein bedauerliches Missgeschick gehandelt – genau genommen, sind es zwei Missgeschicke gewesen, dachte ich, aber ich wollte ja nicht kleinlich sein -, das sich nicht wiederholen würde. Er stehe jedenfalls zu meiner Verfügung, falls ich etwas brauchte.
    Damit war die Sache erledigt.
    Abgesehen von den zwei Millionen Lire, die ich für die Reparatur meines Wagens lockermachen musste.
     
    Ein paar Tage später entdeckte ich, wer der neue Mieter in unserem Haus war. Die neue Mieterin.
    Es war halb zehn Uhr abends, ich war gerade aus dem BoxVerein zurückgekommen und dabei, zwei Hühnerfilets aufzutauen, die ich braten und zu einem gemischten Salat essen wollte. Da klingelte es.
    Ich überlegte ein paar Sekunden, was das gewesen sein konnte, und kam zu dem Schluss, dass es sich um die Türglocke handeln

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