Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht
brasilianische Mastiffs, drei Rottweiler und drei Bandogs, eine mörderische Kreuzung von Schäferhund und Pitbull, beschlagnahmt. Alles Champions, von denen jeder zwischen zwanzig und hundert Millionen Lire wert war. Der wertvollste war ein dreijähriger Bandog namens Harley-Davidson. Er hatte siebenundzwanzig Wettkämpfe gewonnen und dabei sämtliche Gegner getötet. In den einschlägigen Kreisen galt er als süditalienischer Meister, und die Ermittlungen ergaben, dass ein Match geplant war, bei dem er gegen einen Pitbull aus der Mailänder Gegend antreten und um den italienischen Meistertitel kämpfen sollte. Ein Kampf, der bereits über eine halbe Million Lire an Wettgeldern eingebracht hatte.
Des Weiteren wurden Dutzende von Videocassetten mit Hundekämpfen, Kämpfen zwischen Hunden und Pumas und sogar zwischen Hunden und Schweinen eingezogen und das Wachpersonal eines Hundezwingers festgenommen, in dem man neben den gefährlichen Bestien auch Waffen und Drogen fand. Unter den Angeklagten befanden sich ein stadtbekannter Tierarzt, mehrere Hundezüchter und drei Mafiosi, die bereits wegen Drogenhandels festgenommen und verurteilt waren. Selbstverständlich befanden sich alle wegen Ablaufs der U-Haft auf freiem Fuße.
Wie auch immer, an diesem Morgen Ende März sollte jedenfalls der Prozess zur Operation Dog fighting beginnen. Die Tierschützer wollten als Nebenkläger auftreten und hatten mich zu ihrem Anwalt bestimmt.
Es hatte bisher nur zwei Prozesse wegen Tierquälerei gegeben, bei denen man Vivisektionsgegner und Tierschutzverein als Nebenkläger zugelassen hatte. Die Sache war alles andere als selbstverständlich, und so hatte ich den ganzen Nachmittag damit verbracht, mir überzeugende Argumente für das Gericht auszudenken. Und nicht mehr an das Gespräch mit Abdou zu denken.
Da ich an diesem Morgen gut vorbereitet erschien und offensichtlich den Eindruck erweckte, anständige Arbeit leisten zu können, wurde der Prozess »vorsorglich« vertagt, und zwar wegen »Zeitmangels und Überlastung der Verhandlung«, wie die offizielle Formulierung lautete.
Die Vertagung war zwar vorsorglich, wurde aber erst angeordnet, als wir bereits gut vier Stunden Verhandlung – und Wartezeit – hinter uns hatten.
Der vorsitzende Richter verlas jedenfalls gegen 14.30 Uhr die entsprechende Formel und vertagte den Prozess auf kommenden Dezember. Eile gäbe es ja nicht, da alle Angeklagten auf freiem Fuße seien.
Ich war es gewohnt. Also schlüpfte ich kommentarlos in meinen Mantel, nahm meine Aktentasche und durchquerte das mittlerweile menschenleere Gerichtsgebäude, um mich nach Hause zu begeben.
Ich ging gerade die Via Abate Gimma in Richtung Corso Cavour hinunter, als mich von hinten jemand rief. Avvocato , Avvocato, mit irgendeinem hinterwäldlerischen Akzent.
Sie waren zu zweit und schienen einem Dokumentarfilm über Bandenkriege in den Großstadtslums entsprungen. Der Kleine näherte sich mir beim Sprechen bis auf wenige Zentimeter, während der Große etwa einen Meter weiter hinten stehen blieb und mich durch halbzugekniffene Augenlider betrachtete.
Der Kleine meinte, er wäre ein Freund von – er nannte einen Namen -, den ich seines Erachtens gut kannte, weil er irgendwann einmal mein Klient gewesen sei. Er war bemüht, freundlich, ja fast schon diplomatisch zu klingen. Ich sagte ihm, dass ich diesen Freund nicht kannte, und dass sie, wenn es etwas Geschäftliches zu besprechen gäbe, in meine Kanzlei kommen und sich einen Termin geben lassen sollten.
Nein, in meine Kanzlei wollten sie nicht kommen, und der Kleine meinte, ich solle ruhig bleiben. Ganz ruhig. Sein diplomatischer Ton hatte nicht lange vorgehalten.
Sie wüssten, dass ich diese Hosenscheißer von Tierschützern als Nebenkläger verträte, aber es sei besser, wenn ich mich um meinen eigenen Dreck scherte, besser für uns alle.
Ich atmete tief durch die Nase ein, stellte gleichzeitig meine Aktentasche auf die Kühlerhaube eines Wagens und sprach die Worte aus, die seit meiner Kindheit noch jede Straßenprügelei eingeleitet hatten: »Und wenn nicht?«
Der Kleine setzte mit der Rechten zu einer plumpen Ohrfeige an. Ich stoppte ihn mit der Linken und versetzte ihm mit der Rechten beinahe gleichzeitig einen Faustschlag ins Gesicht. Er taumelte nach hinten, begann zu fluchen und brüllte dem Großen zu, er solle mir den Arsch aufreißen.
Bei dem Großen handelte es sich um einen Stier von etwa einem Meter neunzig auf einhundertzwanzig Kilo, von
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